Schattennaechte
neu in der Stadt«, sagte er. »Sie kennen mich noch nicht …«
Lauren fiel ihm ins Wort. »Allein dass wir diese Unterhaltung führen, sagt mir alles über Sie, Sheriff Dixon. Wenn Sie mich verhaften wollen, dann tun Sie es. Aber wenn Ihnen Ihre Dienststelle und die Meinung der Leute so wichtig sind, dann sollten Sie vielleicht mal darüber nachdenken, dass die Bürger hier bestimmt nicht sehr erfreut sind, wenn sie hören, dass Sie sich auf die Seite eines Kinderschänders und möglichen Mörders stellen statt auf die einer Frau, die fast ihre gesamte Familie durch diesen Mann verloren hat.
Und vielleicht sollten Sie auch darüber nachdenken, dass der Fall meiner Tochter noch nicht so lange zurückliegt, dass die Medien sie vergessen haben. Wenn Sie also sich aufs hohe Ross setzen und mir erklären wollen, wer hier im Unrecht ist, dann sollten Sie sich besser in Acht nehmen, weil ich Ihnen dann nämlich ein paar Schlagzeilen beschere, dass Ihnen Hören und Sehen vergeht.«
Cal Dixon sah aus, als stünde er kurz vor einem Schlaganfall. Mendez hatte noch nie erlebt, dass ihm die Worte fehlten. Jetzt sah er dabei zu, wie Dixon darum rang, Fassung, Stolz und Autorität zu bewahren. Lauren Lawton ihrerseits wich keinen Millimeter zurück, selbst in ihrem angeschlagenen Zustand war sie hart wie Stahl, und aus ihren Augen schossen Blitze.
»Ich schätze es nicht, wenn man mir droht, Mrs. Lawton«, sagte Dixon langsam und ruhig. »Aber ich verstehe Ihre Situation, und ich verstehe Ihr Bedürfnis, Ihre Tochter zu beschützen. Detective Mendez wird Sie nach Hause bringen. Ich denke nicht, dass es im Interesse der Justiz wäre, Anklage gegen Sie zu erheben, wobei die endgültige Entscheidung darüber natürlich bei der Staatsanwaltschaft liegt.«
»Danke«, sagte Lauren, doch falls sie erleichtert war, zeigte sie es nicht.
Dixon wandte sich mit undurchdringlicher Miene Mendez zu. »Bringen Sie Mrs. Lawton nach Hause.«
»Ja, Sir.«
»Und Sie möchte ich morgen früh Punkt acht Uhr in meinem Büro sehen.«
»Ja, Sir«, sagte Mendez. Er war sich nicht sicher, wovor er mehr Angst hatte.
39
»Sie müssen mich nicht nach Hause fahren«, sagte Lauren, als sie das Gebäude durch einen Seiteneingang verließen und Mendez sie zu seinem Auto auf dem Parkplatz führte. »Mein Auto steht bei den Tennisplätzen.«
Ihr Auto mochte zwar dort stehen, aber sie hatte keinen Schlüssel, wie ihr in diesem Augenblick bewusst wurde. Sie hatte überhaupt nichts bei sich, weil sie ihre Handtasche Leah mitgegeben hatte. Die Handtasche mit der Pistole im Seitenfach. Sie hoffte nur, dass Leah nicht hineingesehen hatte.
Die Angst durchfuhr sie wie ein kalter Windstoß. Sie hatte ihrer fünfzehnjährigen Tochter eine Tasche mit einer Waffe gegeben. Einen Moment lang sah sie Leah an diesem Morgen vor sich – weinend, durcheinander, wütend, verloren und allein, voller Furcht, dass ihre Mutter Selbstmord begehen könnte. Was ist mit mir? Sie dachte an die besorgten Worte von Anne Leone, dass Leah zu viel in sich verschloss, dass so etwas bei Jugendlichen wie Leah schlimme Folgen haben konnte.
Abrupt blieb sie stehen. »Ich habe keinen Schlüssel. Ich habe auf dem Tennisplatz meine Handtasche fallen lassen. Meine Tochter hat sie mitgenommen.«
»Wo ist sie?«
»Ich habe die Mutter ihrer Freundin Wendy gebeten, sie mit zu sich nach Hause zu nehmen.«
»Sara Morgan?«, fragte er.
»Ich weiß nicht, wo sie wohnen«, sagte Lauren. Als hätte sie nicht sowieso schon das Gefühl gehabt, eine schlechte Mutter zu sein. Sie hatte ihrer Tochter nicht nur eine Waffe mitgegeben, sie hatte sie auch mit einer Frau nach Hause geschickt, die sie nur ein einziges Mal gesehen hatte und von der sie nicht einmal wusste, wo sie wohnte.
»Ich weiß es«, sagte Mendez.
Sie legten die Fahrt schweigend zurück. Lauren hatte kein Interesse an Geplauder oder daran, die angespannte Stimmung aufzulockern. Es war ihr egal, was er von ihrem Ton seinem Vorgesetzten gegenüber hielt – oder ihm selbst gegenüber. Sie hatte schon lange aufgehört, sich Gedanken darüber zu machen, was irgendein Gesetzeshüter von ihr dachte.
Sie machte sich eher Sorgen wegen Sara Morgan. Was musste die Frau von ihr denken? Vor dem gemeinsamen Abendessen abgeführt wegen einer Prügelei. Wendy war Leahs einzige Freundin in Oak Knoll. Wenn ihre Mutter diese Freundschaft wegen Laurens Verhalten beendete …
Und dazu hatte sie jeden Grund. Wenn es ein Verbrecher auf Leah abgesehen
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