Schattennaechte
Hicks.
»Da müsste ich nachsehen.«
»Das wäre nett. Dann sind Sie uns auch sofort wieder los.«
»Was haben Sie vor?«, fragte Neri misstrauisch. »Ich kann nicht zulassen, dass Sie hier herumrennen und sich wichtig machen …«
»Warum nicht? Das nennt man Assimilation«, murmelte Mendez.
Neri erhob sich von seinem Stuhl, er war unübersehbar wütend.
»Wir wollen Mr. Ballencoa nur ein paar Fragen stellen«, sagte Hicks mit Unschuldsmiene.
»Selbstverständlich geben wir ihm auch unsere Visitenkarte«, sagte Mendez. »Damit er die richtige Behörde verklagen kann.«
»Gut«, sagte Neri. »Machen Sie, was Sie wollen, Mendez, solange ich Sie hier nicht mehr sehen muss.«
11
»Musstest du dich wie ein Arschloch benehmen?«, fragte Hicks, als sie wieder im Auto saßen.
»Er nimmt seine Arbeit nicht ernst, er äußert sich abfällig über die Mutter eines Opfers, er schafft es nicht mal zurückzurufen, aber ich benehme mich wie ein Arschloch?«, sagte Mendez. »Du machst wohl Witze.«
»Zweimal falsch ergibt nicht ein Mal richtig, Anthony«, sagte Hicks ruhig.
Mit finsterer Miene ließ Mendez den Motor an. »Danke, eine Mutter reicht mir.«
»Ich meine ja nur.«
»Du hast die Karte, sag mir, wie ich fahren muss.«
»Zu Befehl, edler Ritter.«
»Was soll das jetzt wieder heißen?«
Hicks lachte. »Nichts. Du kannst eben nicht anders, als einer Dame in Nöten zu Hilfe zu eilen, das ist alles.«
»Sehr witzig. Ich halte es nur zufällig für normal, Mitgefühl für eine Frau zu empfinden, die so viel durchgemacht hat.«
»Du hast völlig recht«, sagte Hicks diplomatisch. »An der Santa Rosa rechts. Wie meine bessere Hälfte immer sagt: Eines Tages wirst du einen wunderbaren Ehemann abgeben.«
Nur dass dieser Tag nie zu kommen schien, sehr zum Leidwesen seiner Mutter. Und zu dem seiner Schwestern, die ununterbrochen versuchten, ihn mit netten jungen Mexikanerinnen zu verkuppeln. Er war das einzige unverheiratete Mitglied der Familie Mendez. Nicht dass er etwas gegen die Ehe gehabt hätte. Es war nur so, dass er sich bisher vor allem auf seine Arbeit konzentriert hatte, und dabei war der Rest auf der Strecke geblieben.
»Nach dem, was die Leute über Mrs. Lawton sagen, ist die Gefahr, dass du dich in sie verliebst, wohl nicht besonders groß«, sagte Hicks.
»Könnten wir bitte das Thema wechseln?«
»Für mich klingt das so, als hätte sie Hörner und einen Pferdefuß. Auf jeden Fall Haare auf den Zähnen. Ist dir nichts aufgefallen? An der Higuera links.«
Mendez’ stellten sich sämtliche Nackenhaare auf, als sie bei der Adresse ankamen, die Neri ihnen gegeben hatte. Das Haus lag in Sichtweite der Highschool von San Luis Obispo. Gute Jagdgründe für einen Mann, der jungen Mädchen nachstellte.
Ballencoa wohnte in einem dieser typischen Bungalows, wie man sie überall in Südkalifornien fand. Neben der Eingangstreppe prächtige dunkelrote Bougainvilleen und leuchtend orangefarbene Strelitzien. Ein kleiner, von Unkraut überwucherter Garten. Alles wirkte irgendwie unbewohnt.
Hicks trat auf die schmale Veranda. Mendez ging um das Haus herum und versuchte sein Glück an der Hintertür. Abgeschlossen. Durch das Fenster konnte er in eine kleine Küche sehen. Die Arbeitsflächen waren leer. Nicht einmal ein Glas stand in der Spüle. Durch ein Fenster fiel die Sonne auf eine Staubschicht und den einen oder anderen toten Käfer auf dem Fliesenboden.
»Hey, Sie da!«
Der scharfe Ton ließ ihn zusammenzucken. Er drehte sich um und sah sich einer mageren alten Frau gegenüber, die ein paar Meter von der Treppe entfernt im Garten stand. Sie trug eine Jeanslatzhose und eine blaue Baseballkappe mit dem Logo der Dodgers, unter der zerzauste schulterlange graue Haare hervorquollen. In der Hand hielt sie eine Art Axtstiel, den sie im Kreis schwang, als wäre er ein Baseballschläger und sie würde sich für das Spiel aufwärmen.
Mendez wollte unter sein Sakko greifen.
»Das lassen Sie mal schön bleiben, Sie Perverser!«, blaffte die Frau und schulterte den Axtstiel. Britischer Akzent, dachte Mendez. Sie kam ein paar Schritte näher, die faltigen Lippen so fest zusammengekniffen, dass sie an eine verschrumpelte Pflaume erinnerten.
»Ich bin von der Polizei, Ma’am«, sagte Mendez. »Ich will Ihnen meine Marke zeigen, wenn Sie erlauben.«
»Woher soll ich wissen, dass Sie nicht ’ne Knarre tragen?«
»Ich trage tatsächlich eine Knarre«, sagte er, um einen ernsten Gesichtsausdruck bemüht.
»Na,
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