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Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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der Straße – das ist das Erste, was ich tue, wenn ich auf Nachbarschaftswache bin. Ich schreibe alles auf.«
    Sie blätterte in dem Heft und suchte den Eintrag. Auf jeder Seite stand ganz oben in krakeliger Altdamenschrift das Datum. Dann folgten Notizen, jede mit einer Uhrzeit versehen.
    »Da ist es«, sagte sie und las das Kennzeichen laut vor.
    Mendez notierte es.
    Sie bedankten sich bei Mavis Whitaker für ihre Hilfe und verabschiedeten sich.
    »Warum hat Neri nichts davon gesagt, dass sie wieder damit angefangen haben, Ballencoa zu überwachen?«, fragte Mendez auf dem Weg zum Auto. »Habe ich ihn das nicht klar und deutlich gefragt?«
    »Ich denke, er hätte es erwähnt«, sagte Hicks. »Bestimmt hätte er die Chance genutzt zu beweisen, dass er nicht nur Däumchen dreht.«
    »Das denke ich auch.«
    Sie stiegen ein und saßen eine Weile schweigend da, während jeder seinen Gedanken nachhing.
    »Der war kein Cop«, sagte Mendez schließlich und ließ den Motor an. »Lass uns eine Telefonzelle suchen.«

12
    Leah beobachtete aus dem Augenwinkel, wie ihre Mutter in die Küche kam. Schweigend und mit gesenktem Kopf deckte sie weiter den Frühstückstisch. Hart gekochte Eier, Orangensaft, einen Teller mit Melonenscheiben.
    Ihre Mutter sah schrecklich aus. Leah wusste, warum.
    Beim Aufstehen waren auch ihre Augen gerötet und verquollen gewesen. Bevor sie nach unten gegangen war, hatte sie eine ganze Weile einen nassen Waschlappen darauf gepresst. Falls ihre Mutter das auch gemacht hatte, hatte es bei ihr nichts genutzt.
    Leah erinnerte sich daran, wie schön ihre Mutter früher gewesen war. Sie hätte Model oder Schauspielerin sein können. Ihre Augen waren strahlend blau und ihre dunklen Haare glatt und glänzend wie in der Shampoo-Werbung. Jetzt waren sie von grauen Strähnen durchzogen, und um Augen und Mund hatten sich Falten in ihr Gesicht gegraben. Ihre Haut war blass und fleckig. Ihre Hand zitterte, als sie nach einer Kaffeetasse griff.
    »Willst du Saft, Mom?«
    »Nein«, antwortete Lauren, ohne Leah anzusehen.
    »Willst du ein Ei?«
    »Nein.«
    »Willst du …«
    »Ich will einfach nur Kaffee«, sagte ihre Mutter schroff, gleich darauf legte sie eine Hand an die Stirn und schloss die Augen. »Tut mir leid«, murmelte sie. »Ich will nur Kaffee und Toast.«
    Leahs Magen zog sich zusammen. »Alles in Ordnung?«
    »Mir geht’s gut, Schatz.«
    »Du siehst aber nicht so aus. Du siehst krank aus.«
    Ihre Mutter tat so, als hätte sie es nicht gehört, und rührte Milch und Zucker in ihren Kaffee. Während sie die Tasse mit beiden Händen an den Mund hob, schloss sie erneut die Augen.
    Leah setzte sich auf ihren Platz und nahm sich ein Ei.
    »Du solltest wenigstens ein Ei essen«, sagte sie, machte jedoch keine Anstalten, ihr Ei zu schälen. Sie drehte es lediglich auf ihrem Teller.
    Ihre Mutter stellte die Tasse ab und schob eine Scheibe Toast in den Toaster.
    »Du hast zu Leslie und mir immer gesagt, das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des …«
    »Leah, bitte!«, unterbrach ihre Mutter sie in scharfem Ton. »Ich will keine Vorträge hören. Mir reicht eine Scheibe Toast.«
    »Hast du heute Nacht geschlafen?«, fragte Leah. »Du siehst müde aus.«
    »Ich habe noch eine Zeit lang gearbeitet.«
    Es schien ihr nicht in den Sinn zu kommen, dass Leah auch nicht geschlafen haben könnte. Manchmal dachte Leah, ihrer Mutter war überhaupt nicht klar, dass sie nach Leslies Verschwinden ebenso gelitten haben könnte wie ihre Eltern.
    Sie hatten eine Tochter verloren. Leah hatte eine Schwester verloren. Ihre Eltern hatten wenigstens etwas tun können. Ihr Vater war bei jeder Suche dabei gewesen, aber Leah hatte nicht mitkommen dürfen. Ihre Mutter hatte sich den Freiwilligentrupps angeschlossen, Flugblätter gedruckt und überall verteilt. Leah hatte beim Verteilen der Flugblätter helfen wollen, aber man hatte es ihr nicht erlaubt.
    Man hatte sie zu ihren Großeltern geschickt, damit sie aus dem Weg war. In dem Monat nach Leslies Verschwinden hatte sie ihre Eltern kaum zu Gesicht bekommen. Es war gerade so, als hätten sie nur die eine Tochter, die verschwunden war, und keiner dachte an die andere, die Tochter, die nichts Verbotenes tat, die nicht trotz Hausarrests ausgegangen war.
    Ihre Mutter kam mit ihrem Kaffee und einem Teller mit einer trockenen Scheibe Toast darauf zum Tisch. Sie setzte sich und starrte den Toast an. Wahrscheinlich würde sie keinen Bissen davon essen. Oder sie würde ein-, zweimal

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