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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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damals schon Beziehungen in den Osten?«
    Korfus wandte seinen Blick dem Fenster zu, vor dem ein Kastenwagen stand. »Sie hat bei uns drüben als Staatsfeindin gegolten. Bis zur Wende.« Er lächelte.

35
    Als Linkohr den Brunnensteig hinter der Bahnlinie erreicht hatte, trafen die Strahlen der höher gestiegenen Sonne auch diesen Taleinschnitt. Liliane Korfus war wenig erbaut, schon wieder einen Kriminalisten vor sich zu haben. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie sich schlapp und müde fühlte. Entsprechend widerwillig führte sie den jungen Beamten in das provisorische Büro. Der folgte ihr und bestaunte wieder einmal das bunte Hauskleid, das vor ihm mit jedem Schritt dieser attraktiven Frau bis zum Poansatz hochwippte.
    Sie setzte sich an die Oberkante des Tisches, während sich Linkohr einen Stuhl heranzog. Er gab sich verständnisvoll darüber, dass es nach den Ereignissen der Nacht sicher nicht angenehm sei, noch einmal Fragen beantworten zu müssen. »Sie beide sind aber für uns ganz wichtige Zeugen, wenn man so will.«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie tun ja nur Ihre Pflicht.«
    »Wir haben erfahren, dass es in Ihrer Vergangenheit etwas gibt, das Sie aus verständlichen Gründen vergessen wollen«, begann Linkohr und glaubte, in ihren Augen so etwas wie Erleichterung zu erkennen.
    »Meine Zeit im Gefängnis«, entgegnete sie, als sei sie froh darüber, es endlich sagen zu können.
    »Ein Dreivierteljahr war ich eingesperrt. In Bautzen. Sie können sich nicht vorstellen, wie es ist, eingesperrt zu sein. Und das noch in einem Land, in dem Sie von niemandem Hilfe erwarten können, weil Sie ein Staatsfeind sind.«
    »Und sie waren eine Staatsfeindin?«
    »So haben sie mir das ausgelegt, ja. Nach all den Verhören und Schikanen in der Untersuchungshaft – in diesem Hohenschönhausen. Ich weiß nicht, ob Ihnen das was sagt.« Sie blickte auf die gegenüberliegende Wand, als durchlebe sie noch einmal einen Teil der erlittenen psychischen Qualen. »Einzelhaft, ohne zu wissen, was auf Sie zukommt. Kein Buch, kein Radio, nur Warten. Und zwischendurch immer wieder zum Verhör abgeholt werden. Ich hab noch heut das Schlüsselrasseln im Ohr, das Scheppern der Riegel und den Befehlston: Kommen Se«.
    Linkohr hörte betroffen zu. »Dann hat man mich durch die langen Gänge geführt, vorbei an den Zellen, in denen überall Menschen waren, die ich nie zu Gesicht gekriegt hab. Man wurde immer nur einzeln abgeführt.«
    Dem Kriminalisten wurde plötzlich bewusst, wie wenig er als Wessi von diesen Haftbedingungen wusste.
    »Die haben das so perfektioniert, dass sie an den Fluren sogar eine Art Ampel installiert hatten. Stand sie auf rot, durften meine Aufpasser mit mir nicht um die Ecke gehen, weil dort gerade ein anderer Gefangener abgeführt wurde. Damit wir uns nicht begegnen konnten, gab es extra an den Flurecken winzige Räume, in denen man schnell weggesperrt werden konnte.«
    »Und bei den Verhören hat man Sie gefoltert?«
    »Nicht körperlich, wenn Sie das meinen. Aber psychisch schon. Das konnten sie – diese Stasischweine. Sie müssen sich das mal vorstellen: In dem Komplex in Hohenschönhausen hats etagenweise nur Verhörräume gegeben. Kleine Büros. Der Vernehmer thronte wie der King hinterm Schreibtisch, während Sie auf einem viel zu niedrigen Holzschemel Platz nehmen mussten – und zwar so, dass sie hinter der Bürotür saßen, wenn sie nach innen aufging.«
    Linkohr verstand den Sinn nicht so recht, was an seiner Miene abzulesen war.
    »Wenn Sie hinter der Tür sitzen«, erklärte Liliane deshalb, »dann werden Sie von jemandem, der plötzlich reinkommt, nicht gesehen. Auch das war so gewollt.«
    »Wie oft hat man Sie zum Verhör geholt?«
    »In den eineinhalb Monaten, die ich dort war, vielleicht 20 Mal. Manchmal zwei-, dreimal am Tag, dann wieder längere Zeit überhaupt nicht. Sie glauben nicht, wie langsam die Zeit vergehen kann. Und dann durfte man sich tagsüber nicht aufs Bett liegen. Nur stehen oder sitzen. X-mal hat man Sie deswegen durch den Spion in der Tür begafft. Auch in der Nacht, denn da durften Sie nur auf dem Rücken liegen und Arme und Hände nicht unter der Decke verschwinden lassen. Wenn Sie gegen diese Vorschriften verstoßen haben und das Wachpersonal es gesehen hat, wurde mit der Türklinke ein Heidenlärm veranstaltet, der Ihnen in der kleinen Zelle beinahe das Trommelfell hat platzen lassen. Vor allem sind Sie derart erschrocken, dass Sie nicht mehr einschlafen

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