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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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konnten.«
    Linkohr ließ ein paar Sekunden verstreichen, dann versuchte er, mehr über die Gründe dieser Inhaftierung zu erfahren, von der ihm die Kollegen nach Sanders Hinweisen berichtet hatten: »Sie wurden also an Gründonnerstag festgenommen – warum eigentlich?«
    Liliane überlegte und zog den Saum ihres Kleidchens ein bisschen in Richtung Knie. »Ich war damals naiv – so kann man das ruhig sagen. In einer der Diskos in Stuttgart hab ich ein paar Leute kennengelernt, die politisch engagiert waren und die Kontakte nach drüben hatten. Sie erzählten davon, dass sie den Eindruck hätten, es werde bald irgendetwas geschehen. Und dass die Leute, die drüben etwas bewegen wollten, Unterstützung aus dem Westen bräuchten. Ja, wir waren damals alle voll Euphorie, helfen zu wollen. Ich weiß wirklich nicht, wie der Kontakt zu einigen Studenten nach Dresden und Ostberlin zustande gekommen ist. Aber ich erinnere mich noch, dass die Jungs aus Stuttgart – es waren aber auch Mädchen dabei -, dass denen bereits viele Kanäle zur Verfügung standen.«
    Sie lächelte Linkohr an, was er nicht zu deuten vermochte. Aber sie war wirklich sehr sympathisch, dachte er.
    »Weil ich nie zuvor in Berlin war und alle gesagt haben, ich müsse mir diese Mauer mal ansehen und diese beklemmende und bedrückende Atmosphäre selbst erleben, bin ich dann mit meinem damaligen Freund kurz vor Ostern losgefahren – mit einem alten VW-Bus. Transitautobahn und so. Es war wirklich beklemmend. Diese Grenzkontrollen, diese militärisch knappen Anweisungen, denen man nicht zu widersprechen wagte. Dann die lange Fahrt auf der Autobahn. Auf den Parkplätzen Volkspolizei. Haben Sie das noch erlebt?«
    »Leider nicht.« Er war von dem Lächeln dieser Frau leicht irritiert, weshalb er hinzufügte: »Oder besser wohl gesagt – Gott sei Dank nicht.«
    »Nein, es ist wirklich so. Wer das nicht selbst gesehen hat, wird nie verstehen können, was da innerhalb Deutschlands abgegangen ist. Mittlerweile ist bereits eine ganze Generation herangewachsen, die die Mauer und die innerdeutsche Grenze nur vom Hörensagen her kennt.«
    Linkohr nickte wieder. »Sie waren dann in Westberlin?«
    »Ja, Campingplatz Kohlhasenbrück. Weiß ich noch genau. Ganz im Südwesten und ganz in der Nähe von dem Grenzübergangspunkt Dreilinden. Wir haben uns zwei Tage Westberlin angeschaut und wollten am Gründonnerstag die Bekannten unserer Stuttgarter Freunde in Ostberlin treffen. Na ja – das ging nur über den S-Bahn-Bahnhof Friedrichstraße. Mit all dem Aufwand. Zwangsumtausch und so. Dort ist es dann passiert.«
    »Sie wurden festgenommen?«
    »Roland, so hieß mein Freund, war bereits durch die Pass- und Polizeikontrolle durch und ich kam ein, zwei Personen hinterher. War ja viel los damals, kurz vor Ostern. Plötzlich trat ein zivil gekleideter Mann an mich heran und sagte: Augenblick bitte, wir müssen etwas klären. Kommen Sie mit. Ich war für einen Moment wie elektrisiert. Man hat so viel gehört damals – auch von willkürlichen Festnahmen. Bis Roland gemerkt hat, dass ich nicht mehr hinter ihm war, hatte mich der Mann schon am Oberarm gepackt und in ein Büro gedrängt. Ich war so perplex, dass ich weder schreien noch mich wehren konnte.«
    »Und was hat man Ihnen vorgeworfen?«
    »Beihilfe zur Fluchthilfe. Sie haben mich von unten bis oben durchsucht.« Sie überlegte, ob sies sagen sollte. »Ich musste mich ausziehen. Ganz. Nackt bin ich rumgestanden. Können Sie sich das vorstellen? Diese Ernie-drigung. Dann haben sie in meiner Tasche die Telefonnummern von den Bekannten aus Ostberlin entdeckt. Von da an wars aus.« Sie stockte. »Das seien staatszersetzende Elemente haben sie gesagt, oder so ähnlich. Mich haben sie dann mit so einem kleinen Kombi abgeholt, der mit irgendeiner unverfänglichen Aufschrift versehen war. Ohne Fenster. Ich musste hinten einsteigen und mich in eine winzige Zelle setzen. Dann sind sie mit mir endlos rumgekurvt. Ich hatte keine Ahnung, wohin sie mich bringen würden. Haben auch nichts gesagt. Ich hatte panische Angst.« Ihr Gesicht verriet, dass sie noch immer darunter litt.
    »Ich weiß nicht, wie lange wir gefahren sind. Jedenfalls hielt der Wagen in einer Halle an, in der die Tore verschlossen waren, als ich aussteigen durfte. Mich haben einige uniformierte Personen in Empfang genommen, auch Frauen – und ein paar Stufen hoch in ein Büro geführt, in dem einige Personen miteinander tuschelten. Ich hab nur verstanden, dass

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