Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
Vom Netzwerk:
Fassade wucherte Grünzeug. Häberle parkte seinen Audi abseits des alten Pförtnerhäuschens und gewann den Eindruck, die Natur habe hier längst die Oberhand gewonnen. Einige Sträucher und Bäumchen hatten eine Höhe erreicht, die auf 10-jährigen Bewuchs schließen ließen. Dazwischen duckten sich einige Backsteingebäude, überragt von den Schornsteinen. Seitlich der Einfahrt, die mit einer Schranke gesperrt war, erhob sich ein großes Hinweisschild mit der Aufschrift ›Czarnitz Sanierungs-GmbH‹.
    Häberle erinnerte sich an Simbachs Anweisung: »An der Schranke vorbeigehen und am ersten Querbau rechts. Dort ist eine blaue Tür«. Der Chefermittler hatte sich diese Worte eingeprägt und durchschritt den bereits stark bewachsenen Hof. Unübersehbar die Spuren des langsamen Zerfalls. Dachrinnen hingen verrostet an den Fassaden, im Erdgeschoss waren die Fensteröffnungen zugemauert. Im langen Schatten, den die Gebäude in der tiefstehenden Abendsonne warfen, erkannte Häberle die blaue Tür. Er schaute auf seine Armbanduhr: 20.47 Uhr.
    Noch 13 Minuten. 13, ausgerechnet 13, dachte er. Dabei war er gar nicht abergläubisch. Ihn überkam jenes Gefühl, das ihn jedes Mal beschlich, wenn er sich auf Gespräche einließ, die an ungewöhnlichen Orten stattfanden. Dazu noch mit Personen, die er nur vom Hörensagen kannte. Oehme und Kissling. Vorsorglich hatte er heute seine Waffe eingesteckt. Die Männer, die er treffen wollte, hatten natürlich allen Grund, dies nicht in aller Öffentlichkeit tun zu wollen, redete er sich ein. Und wenn sie hier ihren ›Vereinsraum‹ hatten, was offenbar sogar die örtliche Polizei wusste, dann war dies alles gar nicht so ungewöhnlich. Außerdem, so überlegte Häberle, würde es ohnehin keinen Sinn machen, ihn zu beseitigen. Sie würden damit doch nur noch größere Polizeiaktionen provozieren. Aber wer konnte schon die Gedankengänge eines solchen Personenkreises nachvollziehen?
    Häberle spürte die warme Luft, die in dieser alten Gewerbeanlage zu stehen schien. Ihn umgab eine ungewöhnliche Stille. Abendstimmung. Nur aus den Sträuchern drang schwaches Vogelgezwitscher. Häberle fühlte sich wie in der Kulissenstadt eines Filmstudios, wo gerade ein Kriminalfilm gedreht wurde. Er blickte an den Fassaden empor, an denen kreuz und quer Strom- oder Telefonleitungen verliefen, die aber keine Funktion mehr zu haben schienen. Die blaue Stahltür war offenbar erst in jüngster Zeit eingebaut worden. Es gab keine Klingel und auch sonst keinen Hinweis auf das, was sich dahinter verbergen würde. Häberle klopfte, doch die Tür fühlte sich hart an und gab den Schall vermutlich nicht weiter. Deshalb griff der Ermittler zur Klinke und drückte sie. Wider Erwarten schwenkte die Tür nach innen auf. Häberle zögerte einen Moment, sah sich draußen noch mal um und machte einen Schritt in den dunklen Gang, der sich vor ihm auftat. Seine Augen waren noch vom Sonnenlicht geblendet, sodass er nur langsam Konturen erkennen konnte. Er öffnete die Tür so weit wie möglich, bis die innere Klinke gegen die Seitenwand stieß, um Helligkeit einfallen zu lassen. Der Fußboden bestand aus roh belassenem Beton, der Gang war weiß getüncht und führte quer durchs Gebäude. In regelmäßigen Abständen gab es offenbar Türöffnungen, doch nur von jenen auf der rechten Seite fiel diffuses Licht herein. Kaum hatte Häberle die Situation in sich aufgenommen, zeichnete sich in einem dieser Lichtkegel ein Schatten ab. Unterdessen fiel hinter dem Kriminalisten die blaue Eingangstür zu und verursachte ein metallenes Geräusch, das durch das ganze Gebäude hallte.
    Häberle blieb für einen Moment wie versteinert stehen.

43
    »Holzapfel«, echote Fludium, als habe er diesen Namen oder Begriff nie zuvor gehört. Doch dann wurde ihm auch schon bewusst, was gemeint war. Irgendwo in den Akten war dieser Holzapfel aufgetaucht. Der Kriminalist versuchte krampfhaft, sich an die Zusammenhänge zu erinnern. Ja, klar: der Deckname eines ehemaligen Stasispitzels.
    »Sie sollten sehr vorsichtig sein«, machte Ursula Schanzel weiter. »Diesen Holzapfel gibt es offenbar noch immer. Unsere Kontaktleute in Dresden hegen den Verdacht, dass er sich nach der Wende in die Ministerialbürokratie gerettet hat. Justiz- oder Innenministerium. So genau weiß man es nicht.« Frau Schanzel blickte mit ernstem Gesicht in die Runde. »Sie wissen, was dies bedeutet, meine Herren. Sie müssen damit rechnen, dass versucht wird, Ihnen Steine in

Weitere Kostenlose Bücher