Schattennetz
Fenster, vor dem die Sonne schien. Noch bevor er etwas erwidern konnte, machte Holler einen Vorschlag: »Rufen Sie mich an. Programmieren Sie meine Nummer als Schnellwahl, dann brauchen Sie nur in der Hosentasche draufzudrücken und nichts zu sagen.«
Häberle zeigte sich damit einverstanden.
»Und wir ziehen um 20 Uhr auf – absolut unsichtbar, versprech ich Ihnen.«
Häberle wollte jetzt nur noch eines – schlafen.
Linkohr und Fludium bahnten sich einen Weg durch die Kundschaft. Die Getränkehandlung Simbach schien eine wahre Goldgrube zu sein, dachte der Ältere, der seit vielen Jahren in dieser Kleinstadt tätig war und viele Geschäfte hatte kommen und gehen sehen. Linkohr, der sich im Verkaufsraum auskannte, ging voraus, vorbei an den gestapelten Getränkekisten, an Kartons und allerlei Hausrat, an verschiedenfarbigen Eimern und Kisten, an Werbematerial und leeren Flaschenständern. Die Tür zum Büro im rückwärtigen Teil war geschlossen. Linkohr klopfte, wartete aber nicht, bis er eine Stimme hörte, sondern trat sofort ein, gefolgt von Fludium. Sabrina Simbach, die hinterm Schreibtisch saß, stand als Erste auf und kam ihnen entgegen. Linkohr stellte seinen älteren Kollegen als Vertreter von Häberle vor. »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte Fludium charmant lächelnd und ging dann zu Liliane Korfus und Ursula Schanzel, die um den mit Akten vollbeladenen Schreibtisch saßen. Linkohr tat es ihm nach und entschuldigte sich für die Störung, die jedoch angesichts des Falles unumgänglich sei. Sabrina Simbach holte hinter einem Aktenschrank zwei hölzerne Klappstühle herbei und reichte sie den beiden Männern, die damit abseits der Frauen Platz nahmen.
»Unser Kollege Häberle«, begann Fludium, »hält sich momentan in Bischofswerda auf. Es scheint so, als seien wir auf der richtigen Spur. Wir beide, mein Kollege Linkohr und ich, möchten Sie deshalb ganz herzlich bitten, uns die Sicht der Dinge aus Ihrer persönlichen Situation heraus zu schildern.« Die Frauen hörten ihm aufmerksam zu. Sabrina Simbach spielte nervös mit einem roten Kugelschreiber, was Linkohr zur Kenntnis nahm. Liliane Korfus legte die nackten Beine kokett übereinander. Und Ursula Schanzel gab sich im nadelgestreiften dunklen Hosenanzug als weltmännische Geschäftsfrau.
»Jetzt aus falscher Scham heraus etwas zu verschweigen, wäre fehl am Platze«, appellierte Fludium, der die Damen nacheinander mit treuherzigem Blick ins Visier nahm.
Linkohr zog seinen Notizblock aus der Freizeitjacke und war darauf vorbereitet, sich die wichtigsten Hinweise aufzuschreiben. »Wir gehen mal davon aus – und das soll keinesfalls falsch verstanden werden –, dass sich unter Frauen manches besser bespricht als mit Männern«, lächelte Fludium. »Vielleicht haben Sie in den vergangenen Tagen oder Wochen auch von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Wie wir wissen …« Er zögerte und sah zu Frau Schanzel hinüber, die seine Ausführungen offenbar weitaus kritischer verfolgte als die beiden etwas jüngeren Frauen. »Ja, wie wir wissen, haben Sie sich mit Frau Simbach ausgetauscht – oder umgekehrt.«
»Eine rein private Sache«, unterbrach ihn Ursula Schanzel abrupt. Fludium hob seine Hände, wie dies in ähnlicher Weise auch Häberle in solchen Situationen immer tat. »Kein Grund zur Beunruhigung«, sagte er und begann jetzt, vollstes Verständnis für Gespräche zwischen Frauen zu zeigen. Außerdem bleibe alles, was man jetzt rede, ganz vertraulich. Fludium vertraute darauf, dass seine Art, mit Frauen umzugehen, auch jetzt wieder Wirkung zeigen würde. Als auch Ursula Schanzel keine Einwände mehr erhob, fühlte er sich bestätigt.
»Es hat zwischen Ihren Männern …« – er deutete mit dem Kopf auf Sabrina und Liliane – »heftige Differenzen gegeben, die wohl in der Vergangenheit begründet liegen.«
Er wartete einen Moment, weil er spürte, dass Sabrina etwas sagen wollte. »Nicht nur deswegen«, erklärte sie nach längerem Überlegen mit heiserer Stimme und schaute zu Liliane hinüber, die plötzlich mit den Tränen kämpfte. Ihr Gesicht verfärbte sich rot.
Die beiden Kriminalisten wagten nichts zu sagen. Statt ihrer ergriff Ursula Schanzel das Wort. »Was die ganze Stadt weiß, ist kein Geheimnis«, stellte sie sachlich fest. »Es gab da ein Verhältnis.« Jetzt begann Liliane laut zu schluchzen und suchte in ihrer Handtasche nach einem Papiertaschentuch. Sabrina war kreidebleich und ließ pausenlos die Miene des
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