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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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eigenen Telefongespräche. Seit Kurzem hatte sie einen Freund aus einer der oberen Klassen. Und vielleicht, so dachte sie jetzt, war es nach dem Tod des jähzornigen Vaters künftig einfacher, die nächtlichen Diskobesuche auszudehnen. Ihre Mutter schien dafür mehr Verständnis zu haben. Schon gar, wenn diese selbst nun auch wieder die Freude am Leben zurückgewinnen würde.
    »Nicht mehr diese Woche, bitte«, sagte Sabrina, nachdem sie die Tür ihres Büros zugemacht und sich hinter ihren Schreibtisch gesetzt hatte. Sie lauschte, verzog das Gesicht zu einem Lächeln und spielte nervös mit einem Kugelschreiber. »Ja, ich hab mirs überlegt. Ehrlich. Ich möchte einfach jedem Geschwätz vorbeugen, verstehst du? Du weißt selbst, was die Leute denken. Und womöglich könnten sie sogar noch Schlimmeres denken.«
    Sie hörte ein paar Sekunden zu und schüttelte dann den Kopf. »Nein, nein, natürlich nicht«, beeilte sie sich zu sagen. »Aber mich würde nicht wundern, wenn sie auch noch die Polizei einschalten.«
    Ihr Gesprächspartner schien irritiert zu sein und reagierte mit einem langen Redeschwall, den Sabrina nicht unterbrechen konnte.
     
    Das Kinderfest, das nach dem Umzug in einen unterhaltsamen Familiennachmittag mündete, bei dem es zwar Spiele für die Kinder, aber auch viel Bier für die Erwachsenen gab, war in diesem Jahr nicht gerade wetterbegünstigt. Vormittags hatte noch gelegentlich die Sonne geschienen, anschließend jedoch zog eine Regenfront auf. Die beiden Festplätze, die es in dieser Kleinstadt gab, lagen zeitweilig verwaist. Nur dort, wo es Planen oder ein dichtes Blätterdach von Parkbäumen gab, blieben vereinzelt Besucher sitzen. Dass es alljährlich – und dies seit Menschengedenken – zwei Festplätze gab, vermochten Außenstehende nicht zu verstehen. Dies jedoch war historisch bedingt. Einerseits gabs die sogenannte ›Obere Stadt‹, die eigentlich die Altstadt war, und andererseits das 1912 eingemeindete Altenstadt. Beides zu verwechseln, galt als Todsünde – schon gar in Anwesenheit von Altenstädtern, die allesamt noch die einstigen Grenzen kannten. Auch der Ausklang des Kinderfestes fand deshalb an zwei unterschiedlichen Orten statt: vor einer Kirche der Oberen Stadt und vor einer Kirche in Altenstadt. Seit jeher nannte man die Abschlussfeier ›Stäffelespredigt‹. Das ging wohl darauf zurück, dass die Redner, insbesondere der Pfarrer, meist auf den Eingangstreppen – hierzulande ›Staffeln‹ genannt – der Kirchen standen, um zu den versammelten Kindern und Eltern zu sprechen.
    Trotz des wieder einsetzenden kühlen Nieselregens hatten sich vor der Stadtkirche an diesem Montag-abend ein paar Dutzend Kinder mit ihren Angehörigen eingefunden, wobei möglicherweise weniger die Ansprachen des stellvertretenden Oberbürgermeisters und Pfarrer Kustermanns gelockt hatten als vielmehr der traditionelle Luftballonwettbewerb. Die Kinder warteten sehnsüchtig darauf, ihre diesmal blauen Luftballons gemeinsam in den Himmel steigen lassen zu können.
    Angesichts des stärker werdenden Regens war die Veranstaltung schneller als üblich beendet. Und kaum waren die blauen Luftballons irgendwo im grauen Himmel abgetrieben und hinter den Giebeln der angrenzenden Altstadthäuser verschwunden, leerte sich der Kirch-platz auch schon wieder.
    Als vom Turm um 20 Uhr das Abendläuten ertönte, schloss Stadtpfarrer Kustermann das Südportal der Kirche ab. Er bemerkte eine Person. Dekanin Grüner suchte Schutz unter dem Vordach. »Ich wollte nur noch mal schnell mit Ihnen reden«, erklärte sie und Kustermann wusste, dass es eine dienstliche Aufforderung war, ihr Gehör zu schenken. Er steckte die Schlüssel ein. »Kein Problem«, sagte er. »Wollen wir reingehen?«
    »Nur ganz kurz«, erwiderte sie und steckte ihre Hände in die weiten Taschen eines dunklen, untaillierten Regenumhangs. »Die Beerdigung morgen – wir sollten darauf achten, dass keine Emotionen geschürt werden.«
    Kustermann nickte.
    »Keine Emotionen, die die Leute in den falschen Hals kriegen könnten«, fuhr die Dekanin bestimmend fort. »Man hört so einiges.«
    Der Pfarrer vermochte diese Bedenken nicht nachzuvollziehen. Doch bevor er eine Frage stellen konnte, gab ihm die Theologin zu verstehen: »Manche wollen etwas hineininterpretieren.« Sie sah ihn scharf an und wollte sich abwenden, doch dann fiel ihr noch etwas ein: »Eins ist aber auch klar: Wenn an der Sache mit Simbach etwas faul ist, wird die Polizei

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