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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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im Hintergrund zu halten, um neugierigen Fragen aus dem Weg zu gehen. Sergije und zwei Helferinnen übernahmen deshalb das Kassieren und die Getränkeausgabe, während Mutter und Tochter, meist mit dem Rücken zur Kundschaft, die Spülmaschine be- und entluden.
    Es würde ohnehin genügend Klatsch und Tratsch geben, zumal manche Kleinstädter es nicht verstehen konnten, dass die beiden Frauen nach dem Tode Alexanders ihrer Arbeit nachgingen. Daran musste Sabrina immer wieder denken. Sie überkam ein Gefühl von Scham und Trotz, spürte innere Unruhe und Unsicherheit und hatte den Eindruck, dass alle Augen auf sie gerichtet waren. Deshalb mied sie jeglichen Blickkontakt und konzentrierte sich auf ihre Arbeit.
    Nur ein einziges Mal konnte sie an diesem Abend einem Gespräch nicht ausweichen. Denn Tilmann Stumper hatte nur darauf gewartet, bis er seitlich an der zurückgefalteten Plane des Verkaufsstandes an sie herantreten konnte. »Hallo, Frau Simbach«, grüßte er mit gedämpfter Stimme, aber doch laut genug, um die Musik zu übertönen. »Wie geht es Ihnen?«
    Sabrina sah ihn verwundert an. »Danke.« Mehr kam ihr nicht über die Lippen. Sie kannte Stumper bisher nur flüchtig.
    »Es wird viel geredet …«, versuchte er ein Gespräch zu beginnen, doch er spürte, dass sich Sabrina nicht bei ihrer Arbeit stören lassen wollte. »Auch in Kirchenkreisen …«
    »In Kirchenkreisen, ja«, antwortete sie unterkühlt. »Alexander hat nicht ins Klischee gepasst. Er hat gemacht, was er für richtig hielt.«
    »So kann man es wohl ausdrücken. Und wir alle haben darunter gelitten. Am meisten aber wohl Sie …?«
    Sabrina antwortete nichts. Sie brauchte kein Mitleid. Alexander hatte ihr mit seinem Doppelleben den Glauben genommen: einerseits der angeblich christliche Mensch, der sich mit seinem ehrenamtlichen Engagement und seinen großzügigen Spenden brüstete – andererseits aber der Haustyrann.
    »Weiß man denn inzwischen, was Ihr Mann im Turm oben gewollt hat?« Stumper beugte sich weiter nach vorne, um nicht allzu laut schreien zu müssen.
    »Wenn nicht mal Sie das wissen, woher soll ich es dann erfahren?«
    »Wie kommen Sie drauf, dass ich es weiß?«
    »Es geht doch um die Kirche, oder?«, entgegnete sie kühl. »Da sind Sie besser informiert als ich.«
    »Entschuldigen Sie. Ich wollte nicht indiskret sein. Aber es gehen einem halt so viele Dinge durch den Kopf.«
    »Und? Was geht Ihnen durch den Kopf?«, fragte sie provokativ und selbstbewusst.
    »Nichts. Nichts von Bedeutung.«

7
    Der Sonntag gehörte am Stadtfestwochenende naturgemäß der Jugend: Rock- und Popkonzerte, ab dem frühen Morgen ein Flohmarkt beim Helfenstein-Gymnasium. Silke hatte ursprünglich vorgehabt, alte Schallplatten und Bücher anzubieten. Doch nun war es ihr nicht danach zumute. Sie hatte gestern Abend zwischendurch immer mal wieder am Getränkestand ausgeholfen und sich später in der Jugendecke unters Partyvolk gemischt. Den Sonntag aber wollte sie daheim verbringen, zusammen mit ihrer Mutter. Sie versuchten gemeinsam, ihre Gedanken zu ordnen und die für Dienstag geplante Beerdigung vorzubereiten. Zwar hatte das Bestattungsunternehmen Leichtle alle Formalitäten übernommen, doch galt es nun, den Sargschmuck auszusuchen und Karten mit der Todesanzeige zu verschicken. Die beiden Frauen waren nie mit Alexanders gesamter Verwandtschaft in Sachsen bekannt gemacht worden. Für Silke gab es dort, in Bischofswerda, irgendwo hinter Dresden, einen ›Onkel Anton‹, den Bruder ihres Vaters. Sie waren nur wenige Male dort gewesen, zuletzt nach dem Tode von Alexanders Vater, ihrem Opa. Die Großmutter lebte schon lange nicht mehr.
    Sabrina hatte ihren Schwager Anton schon am Samstagvormittag angerufen und ihm die Todesnachricht übermittelt. Er war zunächst erstaunlich wortkarg gewesen, hatte dann aber weitere Details wissen wollen, die ihm Sabrina allerdings nicht nennen konnte. »Und was wird drüber gesprochen?«, drängte er. Die Betroffenheit über den Tod seines Bruders war schnell verflogen.
    »Was soll denn gesprochen werden?«, echote Sabrina verärgert. »Man versucht hier, kein großes Aufsehen zu machen. Wir haben Stadtfest.«
    Anton brummte etwas Unverständliches. »Und was er da oben auf dem Turm gewollt hat, weißt du natürlich auch nicht«, stellte er fest.
    »Ich brauch dir doch nicht zu sagen, dass sich Alexander jegliche Freiheit rausgenommen hat. Ich hab ihn seit Donnerstagmorgen nicht mehr gesehen.«
    Es blieb für einen

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