Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
Vom Netzwerk:
eingeschaltet. Dass wir uns da richtig verstehen.«

8
    Der Abend verlief ruhig. Im Polizeirevier in der Eberhardstraße stellte die gerade zurückgekehrte Besatzung eines Streifenwagens fest, dass das dreitägige Stadtfest überaus friedlich gewesen sei. »Heut hat das Wetter die Sache schnell beendet«, meinte einer der Uniformierten und legte seine feuchte Dienstmütze auf einen Aktenschrank. Sein Kollege blätterte in einem Schnellhefter, den er in einem Postkorb vorfand.
    Der Beamte, der in dieser Nacht am Funktisch saß und bisher nur zwei Anrufe hatte entgegennehmen müssen, lehnte sich entspannt zurück. »Je schlechter das Wetter, desto weniger Idioten, die wegen jeder Lärmbelästigung aus der Nachbarschaft anrufen«, stellte er fest. Seine Kollegen nickten. Nichts hassten sie mehr, als sich mit derlei Lappalien auseinander setzen zu müssen. Als ob sie in der Nacht nicht genügend andere Aufgaben hätten! Manche Leute taten so, als könne man hierzulande monatelang im Freien Partys feiern – dabei erstreckte sich die echte Freiluftsaison mit mediterranem Flair auf maximal vier, fünf Wochen. Wenn überhaupt. Doch die Toleranz gegenüber den Nachbarn war in den letzten Jahren immer weiter geschrumpft. Was man in südlichen Urlaubsorten als besonders gemütlich empfand, nämlich das nächtelange Beisammensein im Freien, das wurde daheim nicht geduldet. Vielleicht wars bei manchen ja auch der pure Neid, nicht zur Party des Nachbarn eingeladen worden zu sein.
    Diese Gedanken waren dem Beamten am Funktisch durch den Kopf gegangen, als ihn das Summen des Telefons ablenkte.
    »Polizeirevier Geislingen«, meldete er sich, während seine beiden Kollegen nun gemeinsam in den Schnellhefter schauten. Er enthielt die Stellungnahme eines Verkehrssünders, den sie vorige Woche ertappt hatten.
    »Seit wann?«, hörten sie die Stimme des telefonierenden Beamten. Sie blickten von ihrem Schriftsatz auf, denn der Tonfall ließ einen Einsatz vermuten.
    »Wo genau wohnen Sie?« Der Uniformierte schrieb mit. »Mhm. Ich schick sofort eine Streife vorbei, ja. Wir brauchen eine Beschreibung von ihr, möglichst auch ein Foto. Und wie heißt Ihre Frau?«
    Den beiden Streifenbeamten war klar, was dies bedeutete: ein Vermisstenfall. Mitten in der Nacht.
    »Und wie heißt sie?« hakte der Kollege nach. »Wie? Gunzenhauser? Können Sie das bitte buchstabieren?«
     
    Hubert Gunzenhauser war Rentner. Ein Leben lang hatte er, wie viele Geislinger aus seiner Generation, in der ›Württembergischen Metallwarenfabrik‹ (WMF) an einer großen Metallpresse gearbeitet und Bestecke gestanzt. Der pummelig wirkende kleine Mann führte die beiden Streifenbeamten in ein winziges Wohnzimmer im dritten Stock eines Altstadtgebäudes. Die Stilrichtung der Möbel ließ vermuten, dass er sie mit seinen ersten Löhnen gekauft hatte. Nur ein Flachbildschirm auf der massiven dunklen Schrankwand verlieh dem Raum eine moderne Atmosphäre. Die Beamten setzten sich in abgegriffene Sessel, Gunzenhauser nahm ihnen gegenüber auf der Couch Platz. Vor ihnen auf dem niederen Holztisch lagen einige Fotografien, die eine Frau zeigten.
    »Ich kann mir nicht erklären, wo sie isch«, begann Gunzenhauser, der einen Mix aus Hochdeutsch und Schwäbisch sprach. »Sie hat nach der ›Stäffelespredigt‹ – Sie wissen, drüben bei der Stadtkirche …« – Er deutete mit dem Kopf zu einem Fenster, vor dem jedoch ein rostbrauner Vorhang zugezogen war. »Man muss wissen, sie ist Mesnerin dort. Hat dort putzen wollen – im Turm. Weil doch diese Leiche dort oben gelegen ist.«
    Die beiden Beamten sahen den Mann ratlos an. »Leiche?«, fragte einer von ihnen vorsichtig.
    »Sie wissen nix?«, staunte der ergraute Rentner und strich sich nervös über den buschigen Schnauzbart.
    »Nein. Was für eine Leiche denn?«
    »Simbach. Alexander Simbach. Getränkehändler. Müssten Sie kennen. Hat immer für die Kirche gschafft.«
    Die beiden Beamten nickten.
    »Herzinfarkt«, machte Gunzenhauser weiter. »Gstorben im Turm. Oben. Bei den Glocken.«
    »Und wann war das?«
    »Freitag haben se ihn gfunden. Abends. Gstorben ist er aber am Donnerstag – sagt der Doktor.«
    »Und was hat Ihre Frau damit zu tun?«
    »Nix. Sie war nur dabei, als man die Leiche gefunden hat – und jetzt hat sie putzen wollen, weil so viele Leute oben waren.«
    »Und das war nach der ›Stäffelespredigt‹?«
    »Ja, es war schon nach acht, nach der Tagesschau. Und jetzt ist es 1 Uhr und sie ist immer noch nicht

Weitere Kostenlose Bücher