Schattennetz
Damit war der Traum vom goldenen Westen ziemlich schnell geplatzt. Rolf hat dann angefangen, Gewerbeflächen im Osten an Kleinbetriebe aus dem Westen zu vermitteln. Tja – und daraus ist dann dieses Geschäft hier geworden.« Frau Czarnitz hob die Arme und deutete in den Raum. »Natürlich sind wir hier nur in Miete. Aber es läuft.«
»Und wann haben Sie Ihren Mann kennengelernt?«
»Vor acht Jahren. Auf der Schwäbischen Woche in Göppingen, dieser Ausstellung. Ich war damals noch bei einem anderen Immobilienhändler angestellt und wir hatten dort einen Stand.«
Wahrscheinlich hatte sie sich damals scheiden lassen, dachte Häberle, wollte aber nicht darauf eingehen. Er hatte das Gefühl, sie würde sich dies alles jetzt von der Seele reden wollen. Deshalb kam er wieder zur Sache: »Darf ich fragen, wo die Schwerpunkte Ihres Geschäfts liegen – ich mein, in welcher Gegend?«
»Anfangs natürlich dort, wo Rolf herkam – aus Mecklenburg-Vorpommern, rund um die Seenplatte da oben. Später hat sich das dann auf die ganzen neuen Bundesländer ausgedehnt. Wir arbeiten mit Architekten und Investoren zusammen. Aber inzwischen ist der Bauboom abgeflacht.«
Häberle konnte sich dies lebhaft vorstellen. Jedes Kaff hatte im Osten inzwischen ein nagelneues Gewerbegebiet, das oft nur aus Straßen und Lampen bestand. Finanziert mit dem Ossi-Zuschlag.
»Aber mit Simbach oder Korfus hat Ihr Mann keine Geschäfte gemacht?«, vergewisserte sich der Kommissar.
»Wie kommen Sie denn da drauf? Simbach ist Getränkehändler, Korfus Kfz-Mechaniker. Da gibt es keine Berührungspunkte.« Frau Czarnitz sprach langsam.
»Und zu Bischofswerda? Gab es da in letzter Zeit geschäftliche Kontakte?«
Sie überlegte. »Die Geislinger Partnerstadt?« Häberle erschien es, als zögere sie. »Nein, nicht dass ich wüsste. Wir haben da mal was gehabt, aber das liegt sicher schon fünf Jahre zurück.«
Häberle ließ ein paar Sekunden verstreichen. »Es fällt auf«, erklärte er dann ruhig, »dass Ihr Mann am vergangenen Samstag mehrfach von dort aus auf seinem Handy angerufen wurde.«
»Sie haben seine Handydaten ausgewertet?«
»Ist so üblich. Vielleicht führt uns dies zum Täter. Deshalb die Frage: Wer könnte ihn angerufen haben?«
»Es muss sich doch feststellen lassen, wer angerufen hat.«.
»Nicht, wenn der Anruf aus einer Telefonzelle kommt«, erklärte Häberle. »Und genau das ist so ungewöhnlich. Wer macht sich schon heute noch die Mühe, gleich mehrmals von einer Telefonzelle aus anzurufen?«
Sie nickte. »Das ist in der Tat ungewöhnlich.«
»Haben Sie an Ihrem Mann am Wochenende etwas Ungewöhnliches festgestellt. War er nervös, aufgeregt – irgendwie anders als sonst?«
»Nicht, dass es mir aufgefallen wäre. Er war ein paar Mal hier im Büro, hat er jedenfalls gesagt – und ich hab keinerlei Grund daran zu zweifeln, falls Sie das meinen.«
»Und am Montag, beim Kinderfest? Er muss doch irgendwann in den Kirchturm gegangen sein.«
Jetzt war wieder jener Punkt erreicht, der ihr am meisten zu schaffen machte. Rolf in der Kirche. Seit sie ihn dort tot gefunden hatten, zermarterte sie sich den Kopf.
»Wir waren vormittags beim Umzug, doch dann wurde das Wetter zunehmend schlechter. Wir sind deshalb nachmittags hier ins Büro und haben ziemlich lange gearbeitet. Ich bin dann gegen sechs heimgefahren und er wollte spätestens um neun kommen«, schilderte sie den letzten Nachmittag, an dem sie ihren Mann lebend gesehen hatte.
»Er wollte hier noch arbeiten?«
»Ja, das war nicht außergewöhnlich. Rolf hat gern lang gearbeitet – und ist morgens spät aufgestanden.«
»Dass er dann nicht um neun gekommen ist, hat Sie sicher beunruhigt?«
»Natürlich. Ich hab um halb 10 hier angerufen, hab es auf seinem Handy versucht – aber nichts. Na ja, es kam in seltenen Fällen vor, dass er noch in der Eybtalstube vorbeischaute – die Gaststätte in der Eybtalhalle, wo sich abends manchmal die ›Jedermannsturner‹ treffen. Männer in seinem Alter. Aber dann ruft er mich meistens vorher an. Außerdem weiß ich gar nicht, ob dort am Kinderfestmontag abends überhaupt etwas los war.«
»Sie waren also beunruhigt«, fasste Häberle zusammen.
»Schon, ja. Aber ich wollte doch nicht gleich die Polizei rufen. Rolf ist ein erwachsener Mann.«
»Es war aber schon nach 1 Uhr am Dienstagmorgen, als man ihn gefunden hat …«
Sie atmete tief ein. »Gefunden, ja. Ich weiß. Ich hatte mir gerade vorgenommen, noch bis 2 Uhr zu
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