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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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reine westliche Propaganda. Und alle seine Freunde, die hier in der Genslerstraße und drum herum wohnten, sahen es ähnlich. Deshalb waren ihnen auch all jene ein Dorn im Auge, die hier draußen versuchten, den Sozialismus und den Kampf gegen den Imperialismus durch den Schmutz zu ziehen. So und ähnlich jedenfalls hörte man viele der Bewohner dieser Plattenbauten reden. Erst vor wenigen Monaten hatte es bei einer Veranstaltung eine heftige Auseinandersetzung zwischen ihnen und ihren Opfern aus damaligen Zeiten gegeben. Simbach und Kissling waren davon überzeugt, dass jetzt nach kapitalistischer Manier versucht wurde, die einst zentralen Steuerungszentren der DDR zu vermarkten. Anton Simbach war einmal inkognito bei so einer Touristenführung durch dieses Areal hier draußen dabei gewesen und hätte den Mann, der die Vergangenheit in den schrecklichsten Bildern schilderte, beinahe am Kragen gepackt. Mittlerweile war aus all dem, wofür er und seine Kollegen gekämpft hatten, was ihnen wichtig, ja geradezu heilig war, eine Art Museum geworden, in dem die Staatsfeinde von einst das große Wort führten. Allein diese Vorstellung trieb ihm den Blutdruck nach oben. Taten die Jungs hier doch gut daran, die Touristen, wenn sie nach dem Aussteigen aus der Straßenbahn nach dem Weg fragten, in die falsche Richtung zu schicken.
    Simbach chauffierte den Mercedes-Kombi durch die Genslerstraße, wo ihnen viele Touristen entgegenkamen. Von Weitem bereits erkannte Simbach die ihm wohlvertrauten Gebäude, die innerhalb eines mit Mauern und Zäunen umgebenen Areals standen. Dann jedoch bog er nach rechts zu den Wohnblöcken der Lössauer Straße ab und parkte den Wagen in einem menschenleeren Innenhof, dessen Grünfläche sehr mitgenommen aussah. Früher hatten hier nur Trabis und Wartburgs gestanden, jetzt waren es überwiegend Limousinen der mittleren bis gehobenen Klasse. In solchen Fällen fragte sich Simbach immer, ob dies die Menschen nun glücklicher machte.
    Die beiden Männer gingen schnellen Schrittes zu einer der Haustüren, an denen weit mehr als 30 Klingelknöpfe angebracht waren. Kissling beugte sich zu den Namensschildern und drückte neben ›Oehme‹ auf einen Knopf. Weil die Eingangstür offen war, warteten sie gar nicht ab, bis sie jemand abholen würde. Er ging voraus die Treppe hoch in den vierten Stock. Dort stand im dunklen Flur eine männliche Gestalt. »Willkommen daheim«, sagte der Mann und begrüßte die Besucher mit einem angedeuteten Bruderkuss. »Kommt rein.«
    Simbach und Kissling betraten den schlecht beleuchteten Wohnungsflur, wo ihnen eine hochgewachsene, schlanke Frau entgegenkam. »Grüß dich«, sagte sie nacheinander zu den beiden Männern und umarmte sie. Dann führte sie die Besucher ins Wohnzimmer, das ganz in Weiß gehalten war: Ledersofa, Couchtisch sowie eine Regelwand, in der Metall und Glas dominierten. Achim Oehme bot den Gästen einen Platz an, er und seine attraktive Frau setzten sich ihnen gegenüber. »Was zu trinken?«, fragte Oehme. Die beiden nickten. »Ja, bitte, wenn du ein Bierchen hättest«, antwortete Kissling. Die Frau fühlte sich angesprochen und verschwand in der Küche.
    »Wie war die Fahrerei?«, wollte Oehme wissen und schlug die Beine lässig übereinander. Er war Mitte 50 und wirkte für sein Alter durchtrainiert und fit, auch wenn seine Bräune von einem Solarstudio herrühren mochte.
    »Ein Lkw nach dem andern«, erklärte Simbach. »Unser Land wird überrollt.« Wenn er unser Land sagte, meinte er für gewöhnlich nur die neuen Bundesländer.
    »Alles Kack«, zeigte sich Oehme verächtlich. »Die rußen uns vollends ein. Hast du mal gelesen, was ein einziger Lkw rausbläst? Da quatschen se im Reichstag was von Rußpartikelfilter für Pkw. Alles nur Scheingefechte. Der Kleine wird abgezockt und an die Konzerne trauen se sich nicht ran. Dabei hab ich gedacht, die Merkel sei eine von uns.« Er winkte energisch ab. »Vergiss es.«
    Kissling nickte zustimmend. »Genau genommen hat uns der Kapitalismus überrollt. Und was am schlimmsten ist – alles, wofür wir gekämpft haben, soll nicht mehr wahr sein. Als ob wir, ein ganzes Volk, 40 Jahre lang einem großen Irrtum unterlegen wären.«
    »Mach dir nichts vor, Carsten«, gab ihm sein Freund zu denken. »Es war eben eine feindliche Übernahme – von einer Clique, die in uns das Reich des Bösen gesehen hat. Das musst du dir immer vor Augen führen. Und die paar von uns, die sich in diese machtbesessene

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