Schattenpakt - Roland, L: Schattenpakt - Viper Moon (01 The Novel of the Earth Witches)

Sie waren in ihren Gesetzen und Ritualen verhaftet, und nur gelegentlich gab es mal einen etwas intelligenteren Anführer, dem sie bis in die Hölle folgen würden. Das Rasseln von Ketten war ihr Kriegsschrei.
    Ein lautes Knurren kam von unten.
    Das Bronzegitter flog plötzlich hoch wie ein Sektkorken. Es überschlug sich und krachte auf den Zementboden, wobei die dünnen Drähte, die es zusammenhielten, rissen, sodass es in einen Haufen einzelner Bronzestäbe zerfiel. Dann wurde der Lärm allmählich vom anschwellenden, nebelhornartigen Heulen eines sehr großen Tieres überlagert.
    Die Bastinados rannten zur Tür hinaus. Sie würden draußen darauf warten, dass uns das Monster erledigte. Wir mussten uns also den Weg freischießen. »Lauft«, schrie ich. »Ins Licht.«
    Noch während wir uns umdrehten, wusste ich, dass es schon zu spät war. Das Monster, das so groß wie ein Grizzlybär war, arbeitete sich mit seinen riesigen Klauen schnaubend und knurrend aus dem Loch heraus. Der graue Leib war wie bei einem Nashorn mit Panzerplatten bedeckt, und die vier langen Beine endeten in großen Tatzen. Das Maul im lang gezogenen Kopf war mit mehreren Reihen von Zähnen bestückt, und die Augen waren vorgewölbt und angepasst an die Jagd in der ewigen Dunkelheit der Kanalisation.
    Während wir uns davonmachten, zog ich meine Pistole und schoss. Die Bronzekugel traf die Brust direkt unter dem Kiefer der Bestie. Das Monster brüllte vor Schmerz auf und taumelte, wurde aber nicht langsamer. Mein Schuss hatte die dicke Haut nur gestreift. Die Bestien, mit denen ich es bisher zu tun gehabt hatte, wären gar nicht in Versuchung gewesen, sich dem Bronzegitter über dem Loch auch nur zu nähern. War dieses Untier mit seiner dick aussehenden Haut vielleicht weniger empfindlich? Außerdem hätte es sich zuerst über das leicht zu bekommende Fleisch hermachen müssen … die Leiche, die am Rand der Grube lag.
    Weil ich mich umgedreht hatte, um zu schießen, erwischte es mich als Erstes.
    Es holte mit seiner klauenbewehrten Tatze aus.
    Doch es war schon zu nah dran. Es verfehlte mich mit seiner Klaue und stattdessen traf mich sein Bein an der Hüfte, sodass ich durch die Luft segelte. Ich krachte mit voller Wucht auf den Zementboden. Dann war es über mir. Ich sah direkt in ein Maul mit rasiermesserscharfen Zähnen. Blutiger Geifer spritzte auf mich.
    Heilige Mutter! Sein Atem roch, als wären die Innereien bereits tot und verwest, doch die Information noch nicht im Hirn der Bestie angekommen.
    Aber ich hatte gelernt, mich unter egal welchen Umständen an meine Pistole zu klammern. Ich drückte ab und schoss direkt ins offen stehende Maul. Einmal. Zweimal. Beim dritten Schuss sprang die Bestie auf und davon. Das Monster würgte und spuckte Blut. Aber ich hatte es immer noch nicht getötet. Diese Sorte Monster schien fast schon unzerstörbar. Ich musste es durch einen Kopfschuss ins Auge erledigen.
    Ich wusste nicht, wo Flynn und Michael gerade waren, deshalb konnte ich nicht wahllos in der Gegend herumschießen.
    Schließlich erspähte ich Michael zu meiner Rechten. Das Monster griff ihn an. Doch Michael wich ihm mit gewandter Anmut aus. Wo war Flynn?
    Während ich mich noch aufrappelte, griff die barbarische Kreatur wieder an. Ein Messerheft ragte aus dem Hals der Bestie. Himmel! Das Messer, das Michael Flynn gegeben hatte. War Flynn etwa auf den Rücken dieses Wesens gesprungen?
    Ich gab erneut einen Schuss ab. Ich traf zwar voll den Körper, verfehlte aber den Kopf. Der Schmerzensschrei, den die Bestie ausstieß, brachte meine Ohren zum Dröhnen.
    Plötzlich trat Flynn zwischen mich und das Wesen. Oh! Ihm war tatsächlich nicht entfallen, was ich ihm gesagt hatte. Er hatte seine Pistole mit den nutzlosen Patronen gar nicht erst gezogen. Er hatte eine der Bronzestangen, aus denen das Gitter bestanden hatte, wie einen Baseballschläger über der Schulter liegen. Sein Griff um die Stange war ruhig und fest. Er erinnerte an einen Profi-Baseball-Spieler, der weiß, dass er einem unfähigen Werfer gegenübersteht. Die Lippen vor Entschlossenheit fest aufeinandergepresst stand er da und richtete den Blick unverwandt auf das bizarre Wesen, das auf ihn zugestürmt kam. Der Mann, der hier einen Albtraum monumentalen Ausmaßes erlebte, war das Einzige, was mich noch vom Tod trennte.
    Flynn schwang die Stange mit so viel Kraft, dass ein Ball weit über das Spielfeld hinausgeschlagen worden wäre. Die Bronzestange krachte auf beide Augen. Sie