Schattenpakt - Roland, L: Schattenpakt - Viper Moon (01 The Novel of the Earth Witches)
Glasflasche.
»Blut.«
»Wessen Blut?«
»Ich weiß es nicht. War ein Angebot im Supermarkt.«
Flynn wollte schon anfangen, mit mir zu diskutieren, aber Michael unterbrach ihn.
»Bringen wir es hinter uns. Ich gehe ohnehin davon aus, dass der Anruf nicht echt war. Da waren letzte Nacht ein paar Bastinados, die der Meinung waren, allein aufzutauchen würde automatisch bedeuten, man wäre hilflos.«
»Du glaubst also, dass es eine Falle ist?« Ich legte die Hand an meine Pistole und lockerte sie ein bisschen.
Michael lächelte. Er hatte die Brieftasche unter dem Autositz versteckt. »Warten wir mal ein Weilchen, ob’s das ist.«
Das Backsteingebäude hatte nur ein Stockwerk, was für die Gegend ungewöhnlich war. Die Gebäude, die weder Lagerhaus noch Fabrikanlage waren, besaßen in der Regel zwei oder drei Stockwerke. Bodenbeläge, Decken und Wände waren längst verschwunden, sodass es nur noch ein riesiger Raum mit Zementboden war. Das Dach hatte Löcher, durch die Licht in unheimlichen Tupfen auf den Boden fiel. Je weiter wir ins Gebäude vordrangen, desto dunkler wurde es, und die Schatten legten sich plötzlich wie eine schwarze Seele auf mich, die nicht in der Lage war, dem Gefängnis der Welt der Lebenden zu entfliehen. Ich sah Michael und Flynn an und wusste, dass sie genauso empfanden.
»Wow«, sagte ich, als wir uns einem schwarzen Krater im Betonboden näherten, der einen Durchmesser von ungefähr dreieinhalb Metern hatte. »Es ist größer geworden.«
Ein grobes Gitter aus Bronzestäben, die mit dünnen Drähten verbunden waren, lag über dem Loch. Der Zahn der Zeit hatte an den Rändern genagt, sodass das Bronzegitter unsicher über dem dunklen Loch balancierte. Ich wusste nicht, wer das Gitter hier angebracht hatte, aber ich wusste, warum. Die Kreaturen da unten würden es nicht riskieren, sich am Bronzegitter vorbeizudrücken, außer in einer Extremsituation.
Ich brauchte meine Flasche mit Blut nicht. Eine entsetzlich große rote Lache bedeckte den Betonboden bis an den bröckelnden Rand der Grube. »Ist das die Ratte, die dich angerufen hat, Michael?« Ich zeigte auf die Leiche, die keinen Lebenssaft mehr enthielt und mit dem Gesicht nach oben in der allmählich dicker werdenden roten Flüssigkeit lag. Der grauenhaft saubere Schnitt an seiner Kehle sah so aus, als hätte ihn jemand festgehalten, während er ausblutete. Er war frisch, sehr frisch, als wäre er erst vor ein paar Minuten beigebracht worden.
»Sieht fast so aus«, meinte Michael. Seine Stimme klang angespannt und jetzt eindeutig kein bisschen mehr melodisch. Er kniete sich neben den Toten. Flynn stand einfach nur da und starrte alles an. Mein harter Cop schien unter akuter Reizüberflutung zu stehen. Wenn man in den Barrows in so eine Situation gerät, kann das mit einem passieren. Ich war daran gewöhnt. Ich hatte schon Schlimmeres gesehen. Und ich sah es als das, was es war: eine Falle.
»Hier gibt’s nicht. Lass uns gehen, Michael.«
»Nein.« Flynn erinnerte sich plötzlich wieder daran, dass er ein Cop war. »Ich muss ein Spurensicherungsteam herkommen lassen. Damit er identifiziert wird. Das ist ein Tatort.«
»Es wird keiner kommen, Flynn. Hier in den Barrows kann man nicht telefonieren. Und ich sage dir noch einmal: Dieser Ort existiert für die in Uptown gar nicht.«
Dann hörte ich das Geräusch: den Blutrausch kleiner Wesen. Es kam aus dem Loch. Kleine Kreaturen, die wie Ratten kreischten und quiekten, harmloses Entsetzen; denn die wimmelnden Wesen wollten nur das Blut aufschlürfen. In meiner Fantasie sah ich die kleinen Viecher, die sich jetzt über das Blut hermachten, welches in das Loch getropft war. Unglaublich widerliche Gestalten, manche sahen wie Spinnen aus, andere wie riesige Unken oder Schildkröten.
Jetzt verstand ich auch, worum es bei der Falle ging. Es war ganz einfach: nichts Kompliziertes. Das Geschrei würde einen größeren Jäger anlocken. Wer immer das hier geplant hatte, war der Meinung gewesen, Michael würde allein und vielleicht mit dem Jaguar kommen. Und wenn er dann auch noch das Geld im Jaguar hatte … ja, das wäre das Ganze wert. Sie würden ihn zum Loch drängen, wo er nicht entkommen konnte, und ihn hineinstoßen, wenn sie mit ihm fertig waren.
Menschliche Gestalten tauchten an dem Eingang auf, durch den wir hereingekommen waren. Das Rasseln von Bastinado-Ketten war ein Zeichen dafür, dass sie auf einen Krieg aus waren. In der Regel waren Bastinados nicht sonderlich schlau.
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