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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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sortieren.«
    »Bring mich nicht in Versuchung. Meiner Meinung nach gehört mindestens die Hälfte der Menschen aus Erins Leben ins Gefängnis«, murmelte er, das Handy am Ohr. »In zwei Stunden führen wir eine Hausdurchsuchung bei den Seabrights durch. Ich bin sicher, Dugan hat auch Drogen in den Durchsuchungsbefehl aufnehmen lassen.«
    »Wonach sucht ihr noch?«
    »Erin erzählt immer wieder, dass die Entführer Bruce Seabright mehrfach angerufen und mehr als ein Videoband im Wohnwagen aufgenommen haben. Drei oder vier, sagt sie.«
    »Großer Gott, was macht er damit?«, fragte ich. »Versteigert er die über eBay?«
    »Ja, und behauptet dann, damit hätte er das Lösegeld zusammenbringen wollen«, meinte Landry. »Scheißkerl.«
    Ich setzte mich wieder auf das tiefe Fensterbrett, ließ mir die Morgensonne auf den Rücken scheinen und dachte über Bruce Seabrights mögliche Beteiligung nach. »Also, nehmen wir mal an, Seabright wollte Erin aus dem Weg haben. Er denkt sich den Entführungsplan aus, ohne je vorzuhaben, die Polizei zu rufen oder Erin heimzubringen. Warum ist sie dann nicht gleich umgebracht worden? Die Bänder hätten sie innerhalb einer Stunde aufnehmen, Erin töten und wegschaffen können.
    Dann komme ich dazu und bringe dich in die Sache rein«, fuhr ich fort. »Jetzt muss Bruce mitspielen. Aber auch dann stellt sich wieder die Frage, warum sich der Komplize ihrer nicht entledigt hat.«
    »Weil wir Seabright jetzt beobachten, ihm Fragen stellen. Der Komplize sieht die Polizei rumschnüffeln, und sie bekommen Angst.«
    »Und sie lassen Erin laufen, damit sie dir helfen kann, die Täter dingfest zu machen?« Ich schüttelte den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn.«
    »Ich spiele mit den Karten, die ich habe, Estes«, gab Landry ungeduldig zurück. »Erin sagt, es war Jade. Also halte ich mich daran. Wäre blöd, das nicht zu tun. Lässt sich die Sache auf Bruce Seabright zurückführen, dann halte ich mich auch daran. Verbrechen schafft seltsame Bettgenossen.«
    Ich sagte nichts. Gelegentlich erkenne auch ich den Wert der Zurückhaltung. Landry hatte seinen Verdächtigen und seine Indizienbeweise. Er hatte ein Opfer, das sich nur halbwegs sicher war, und seine eigenen Zweifel.
    »Ich muss los«, sagte er und klappte das Handy zu. »Der Staatsanwalt will sich vor Jades Vernehmung zur Anklage mit uns treffen.«
    Ich hatte gedacht, ich könnte in Erins Zimmer schlüpfen, wenn Landry weg war, aber ich sah, dass der Deputy, der für die Bewachung eingeteilt war, seine Kaffeepause bereits beendet hatte.
    »Landry?«, fragte ich, als er losging. Er sah zu mir zurück. »Irgendwelche Anzeichen von Van Zandt?«
    »Nein. Er ist nicht in das Stadthaus zurückgekehrt.« Er wandte sich ab, und ich rief ihn noch einmal zurück.
    Ich holte Erins Armband aus der Tasche und hielt es ihm hin. »Das habe ich auf dem Boden des Untersuchungszimmers gefunden, in dem Erin gestern Nacht war. Frag sie danach. Vielleicht ist es ein Geschenk von Jade.«
    Er nahm es mir ab, streifte dabei meine Finger. Er nickte.
    »Danke«, sagte ich, »dass du mich informiert hast.«
    Landry tippte sich als Gruß an den Kopf. »War ja zuerst dein Fall.«
    »Ich dachte, du teilst nicht.«
    »Für alles gibt es ein erstes Mal.«
    Er schaute auf das Armband in seiner Hand und ging dann weg.
    Ich verließ das Krankenhaus, fuhr langsam über den Parkplatz und hielt Ausschau nach einem marineblauen Chevy, aber Van Zandt war nicht da. Auch Krystals weißer Lexus oder Bruces Jaguar nicht. Die liebenden Eltern. Erin hatte gesagt, sie sollten gehen, also waren sie gegangen. Waren aus dem Schneider.
    Ich habe nie verstanden, warum Menschen Kinder haben, sie aber missachten, sich nicht um sie kümmern, ihnen nicht helfen, menschliche Wesen zu werden. Welchen Grund gibt es sonst? Den Familiennamen weiterzugeben? Sozialfürsorge zu bekommen? Den Beweis einer Beziehung zu bewahren? Denn das hatte man zu einer bestimmten Zeit in seinem Leben zu tun: zu heiraten und Kinder zu kriegen. Niemand erklärte einem je, warum.
    Ich wusste nicht viel von Erin Seabrights Kindheit, aber ich wusste, dass sie nicht geliebt worden war. Sie war, nach der Aussage ihrer eigenen Schwester, ein wütendes, verbittertes Mädchen.
    Ihre vage Geschichte gefiel mir nicht. Aus eigener Erfahrung wusste ich, dass wütende, verbitterte Mädchen die Menschen, die sie am meisten verletzt haben, für ihre Sünden bezahlen lassen wollen. Ich fragte mich, ob sie dem die Schuld zuwies, dem sie

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