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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd
Autoren: Tami Hoag
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lag schnarchend allein im Bett. Ich setzte mich neben ihn und tätschelte seine Wange. Seine Augenlider hoben sich langsam über geröteten Augäpfeln. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
    »Ich hatte gehofft, du seist Tom Cruise«, nuschelte er mit kratziger Stimme.
    »Leider muss ich dich enttäuschen. Wenn ein Pferdehändler namens Van Zandt vorbeikommt, ist mein Name Elle Stevens und du suchst nach einer Pferdepflegerin.«
    »Was?« Er schob sich hoch und schüttelte den Kopf, um ihn klar zu bekommen. »Van Zandt? Tomas Van Zandt?«
    »Du kennst ihn?«
    »Ich hab von ihm gehört. Der zweitgrößte Ganove Europas. Warum sollte der hierher kommen?«
    »Weil er glaubt, du würdest ihm vielleicht Pferde abkaufen.«
    »Wie kommt er darauf?«
    »Weil ich ihm das sozusagen nahe gelegt habe.«
    »Bah!!«
    »Guck nicht so beleidigt«, sagte ich. »Das betont nur die Falten um deinen Mund.«
    »Ziege.«
    Er schmollte kurz, riss sich dann zusammen und fuhr sich wieder über das Gesicht – vom Mund nach oben. Das zehnsekündige Facelifting. »Du weißt doch, dass ich bereits einen europäischen Geschäftspartner habe. Du weißt, dass ich nur mit Toine zusammenarbeite.«
    »Ja, ich weiß. Der letzte ehrliche Pferdehändler.«
    »Der einzige in der gesamten Weltgeschichte, soviel ich weiß.«
    »Dann lass Van Zandt halt denken, er würde dich Toine abwerben. Der Typ kriegt glatt einen Orgasmus. Wenn er herkommt, tu so, als seist du interessiert. Du bist mir was schuldig.«
    »Ich wusste nicht, dass ich dir so viel schulde.«
    »Ach ja?«, meinte ich. »Dir hab ich zu verdanken, dass ich eine Klientin und einen Beruf habe, die ich beide nicht will.«
    »Später wirst du mir noch dankbar sein.«
    »Später werde ich mich an dir rächen.« Ich beugte mich vor und tätschelte noch mal seine stoppelige Wange. »Viel Spaß beim Pferdehandel.«
    Er stöhnte.
    »Übrigens«, sagte ich und blieb an der Tür stehen. »Er hält mich für eine Dilettantin aus Palm Beach und glaubt, dass ich D’Artagnon von dir miete.«
    »Und das soll ich alles im Kopf behalten?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Du hast doch sonst nichts zu tun.«
    Ich war schon fast aus der Tür, bevor er den Mund wieder aufmachte.
    »El …«
    Ich drehte mich um, eine Hand am Türrahmen. Er sah mich an, ungewöhnlich ernst, eine gewisse Sanftheit im Blick. Er wollte was Freundliches sagen. Ich wollte, dass er so tat, als sei es ein Tag wie jeder andere. Beide schienen wir die Gedanken des anderen zu lesen. Ich hielt den Atem an. Sein Mundwinkel hob sich zu einem entgegenkommenden Lächeln.
    »Nett siehst du aus«, sagte er.
    Ich winkte ihm zu und verließ das Haus.
     
    Molly Seabright wohnte in einem zweistöckigen Haus am Rande einer Siedlung namens Binks Forest. Eine Schnellstraße direkt hinter dem Garten. Ein weißer Lexus in der Auffahrt. Im Haus brannte Licht. Die schwer arbeitende obere Mittelschicht bereitete sich auf einen neuen Tag vor. Ich parkte weiter hinten auf der Straße und wartete.
    Ab halb acht strömten die Kinder aus den umliegenden Häusern und gingen an mir vorbei zur Haltestelle des Schulbusses an der Ecke. Molly kam aus dem Haus der Seabrights, zog eine Büchertasche auf Rädern hinter sich her und sah aus wie eine leitende Angestellte in Miniatur auf dem Weg zu ihrem Flieger. Ich stieg aus und lehnte mich mit verschränkten Armen gegen meinen Wagen. Sie entdeckte mich aus sechs Meter Entfernung.
    »Ich hab’s mir anders überlegt«, sagte ich, als sie vor mir stehen blieb. »Ich helfe dir bei der Suche nach deiner Schwester.«
    Sie lächelte nicht, sprang nicht vor Freude in die Luft. Sie schaute zu mir hoch und fragte: »Warum?«
    »Weil mir die Leute, mit denen deine Schwester zu tun hatte, nicht gefallen.«
    »Glauben Sie, ihr ist was Schlimmes zugestoßen?«
    »Wir wissen, dass irgendwas mit ihr passiert ist«, erwiderte ich. »Sie war hier und jetzt ist sie weg. Ob es was Schlimmes ist oder nicht, werden wir sehen.«
    Molly nickte, offenbar zufrieden, dass ich sie nicht mit falscher Zuversicht beruhigt hatte. Die meisten Erwachsenen reden mit Kindern, als seien sie dämlich, nur weil sie noch nicht so viele Jahre gelebt haben. Molly Seabright war nicht dämlich. Sie war gescheit und sie war mutig. Ich dachte nicht daran, überheblich mit ihr zu reden. Ich hatte sogar beschlossen, sie nicht anzulügen, wenn es sich vermeiden ließ.
    »Aber wenn Sie keine Privatdetektivin sind, wie wollen Sie mir dann helfen?«, fragte
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