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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd
Autoren: Tami Hoag
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ich mein Leben selber beenden sollen, um für meinen Leichtsinn zu bezahlen? Oder hatte ich nur verdammtes Glück gehabt und wollte das nicht wahrhaben?
    Halb vier Uhr morgens.
    Ich lag im Bett, starrte auf die sich drehenden Ventilatorenblätter. Das Gästehaus war von einem Innenarchitekten aus Palm Beach eingerichtet worden, der völlig verliebt in den Stil karibischer Plantagen gewesen war. Es kam mir wie ein Klischee vor, aber niemand hatte mich je dafür bezahlt, Farbtöne oder Kissenbezüge auszusuchen.
    Um vier stand ich auf und fütterte die Pferde. Um fünf hatte ich geduscht. Es war schon lange her, dass ich mich Leuten vorstellen und mir Sorgen darüber machen musste, wie ich bei ihnen ankam, und ich konnte mich kaum noch erinnern, wie das ging. Ich konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass ich bereits beim ersten Anblick oder, falls dann nicht, zumindest wegen meines Rufs abgelehnt werden würde.
    Was für ein seltsamer Einfall zu glauben, dass jeder auf der Welt alles über mich wusste, alles darüber wusste, was ich getan hatte und wieso ich rausgeflogen war. Zwei Tage lang war ich in den Abendnachrichten gewesen. Kurze Beiträge. Ein Füller vor dem Wetterbericht. Die Wahrheit war vermutlich, dass niemand, der nicht direkt mit dem Geschehen zu tun gehabt hatte, niemand, der nicht in der Welt der Cops lebte, der Geschichte mehr als flüchtige Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Die Wahrheit ist, dass die Menschen sich über den Gedanken »besser die als ich« hinaus selten für die katastrophalen Ereignisse im Leben anderer interessieren.
    Noch in Unterwäsche, betrachtete ich mich im Spiegel. Ich schmierte etwas Gel ins Haar, damit es aussah, als sei der Stil Absicht. Sollte ich mich schminken? Seit mein Gesicht wieder zusammengeflickt worden war, hatte ich kein Make-up mehr getragen. Der Schönheitschirurg hatte mir die Visitenkarte einer Frau gegeben, die sich auf nachoperatives Make-up spezialisiert hatte. Die Avon-Dame fürs Posttraumatische. Die Karte hatte ich weggeworfen.
    Ich zog mich an, verwarf verschiedene Kombinationen und entschied mich schließlich für eine ärmellose Seidenbluse in der Farbe frisch gegossenen Betons und eine braune Hose, die mir so weit war, dass ich sie am Bund mit Sicherheitsnadeln zusammenhalten musste, damit sie nicht runterrutschte.
    Mode war mir mal wichtig gewesen.
    Dann surfte ich im Internet herum, kaute meine Fingernägel, machte mir Notizen.
    Über Tomas Van Zandt fand ich nichts Interessantes. Sein Name tauchte noch nicht mal auf seiner eigenen Website auf: worldhorsesales.com. Die auf seiner Visitenkarte angegebene Site zeigte Fotos von Pferden, die durch Van Zandts Unternehmen vermittelt worden waren. Telefonnummern für ein Büro in Brüssel, für europäische Verkäufe und für zwei Subagenten in den USA waren angegeben, einer davon Don Jade.
    Ich fand mehrere Artikel über Paris Montgomery im Chronicle of the Horse und Horses Daily ,die von kürzlichen Siegen auf dem Parcours berichteten, von ihren bescheidenen Anfängen als Ponyreiterin in den Pine Barrens von New Jersey. Bewundernd wurde erzählt, wie sie sich hochgearbeitet hatte, von der Pferdepflegerin zur Reitlehrerin bis hin zur Trainerassistentin, und dass sie das harter Arbeit und einem seltenen Talent verdankte. Und Charme. Und der Tatsache, dass sie Model hätte werden können.
    Seit drei Jahren war sie Trainerassistentin bei Don Jade und so dankbar dafür, dass er ihr diese Möglichkeit gegeben hatte, bla, bla, bla. Nur wenige erkannten, was für ein feiner Mensch er war. Er hatte das Pech gehabt, geschäftlich mit Leuten von fragwürdiger Moral zu tun zu haben, aber man sollte daraus doch nicht auf ihn selbst schließen, et cetera, et cetera. Jade wurde mit der Aussage zitiert, Paris Montgomery hätte eine strahlende Zukunft und den Ehrgeiz und das Talent dazu, alles zu erreichen, was sie wollte.
    Ein Foto des Artikels zeigte Montgomery auf einem Pferd namens Park Lane beim Überspringen einer Hürde, ein anderes war eine Nahaufnahme ihres strahlenden Lächelns.
    Das Lächeln irritierte mich. Es war zu strahlend und wurde zu leicht angeknipst. Der Charme wirkte unaufrichtig. Aber ich hatte sie auch nur zehn Minuten lang gesehen. Vielleicht mochte ich sie nicht, weil ich nicht lächeln konnte und nicht charmant war.
    Ich schaltete meinen Laptop aus und ging nach draußen. Am östlichen Himmel zeigte sich die erste Morgenröte. Ich betrat Seans Haus durch die Terrassentür am Esszimmer. Er
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