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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd
Autoren: Tami Hoag
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Mutter erkannt. Da ich Molly als Erste kennen gelernt hatte, hätte ich mir ihre Mutter vielleicht als zugeknöpfte Anwältin oder Ärztin oder Atomwissenschaftlerin vorstellen können. Ich hätte, wenn ich nicht aus erster Hand gewusst hätte, dass Kinder und Eltern nicht immer zusammenpassen.
    Krystal war eine gefärbte Blondine, die in ihren dreißig oder mehr Lebensjahren zu viel Färbemittel verwendet hatte. Ihr Haar war fast weiß und sah so künstlich aus wie Zuckerwatte. Sie trug etwas zu viel Make-up. Ihr rosafarbenes Kostüm war ein bisschen zu eng, ihre Sandalen ein bisschen zu hochhackig. Sie schaute aus dem Augenwinkel zu uns herüber.
    »… ich kann Ihnen die Einzelheiten zufaxen, sobald ich im Büro bin, Joan. Aber Sie müssen es sich wirklich anschauen, um es würdigen zu können. Solche Häuser sind jetzt in der Saison kaum mehr zu kriegen. Sie haben großes Glück, dass es gerade auf den Markt kam.«
    Sie wandte sich vom Spiegel ab und schaute zu mir, dann zu Molly, mit einem fragenden Ausdruck im Gesicht, führte aber ihr Gespräch mit der unsichtbaren Joan fort, verabredete sich mit ihr für elf, kritzelte den Termin in einen unordentlichen Kalender. Schließlich legte sie das Telefon beiseite.
    »Molly? Was ist los?«, fragte sie und sah zu mir, nicht zu ihrer Tochter.
    »Das ist Ms. Estes«, sagte Molly. »Sie ist Ermittlerin.«
    Krystal sah mich an, als sei ich vom Mars heruntergebeamt worden. »Sie ist was?«
    »Sie möchte mit dir über Erin sprechen.«
    Wut machte sich auf Krystals Gesicht breit, ließ sie bis in die Haarwurzeln erröten. »Um Himmels willen, Molly! Ich kann nicht glauben, dass du das getan hast. Was ist bloß los mit dir?«
    Der Schmerz in Mollys Augen war so heftig, dass auch ich ihn spürte.
    »Ich hab dir gesagt, dass was Schlimmes passiert ist«, beharrte Molly.
    »Ich kann einfach nicht glauben, dass du so was machst!«, schnauzte Krystal, deutlich frustriert über ihre jüngere Tochter. »Gott sei Dank ist Bruce nicht hier.«
    »Mrs. Seabright«, unterbrach ich, »ich beschäftige mich mit einem Fall im Reiterzentrum, in den Ihre Tochter Erin verwickelt sein könnte. Darüber möchte ich kurz mit Ihnen sprechen, wenn möglich.«
    Mit aufgerissenen Augen sah sie mich an, immer noch wütend. »Es gibt nichts zu besprechen. Wir haben keine Ahnung, was dort drüben vorgeht.«
    »Aber Mom …«, begann Molly, wollte verzweifelt, dass ihre Mutter Anteil nahm.
    Ihre Mutter warf ihr einen vernichtenden, bitteren Blick zu. »Wenn du dieser Frau irgendeine lächerliche Geschichte erzählt hast, sitzt du ziemlich tief in der Patsche, junge Dame. Wie kannst du nur so viel Ärger machen. Du denkst an niemanden als dich selbst.«
    Zwei rote Flecken erschienen auf Mollys blassen Wangen. Ich befürchtete, sie würde gleich zu weinen anfangen. »Ich mach mir Sorgen um Erin«, sagte sie mit kleiner Stimme.
    »Erin ist die Letzte, um die man sich Sorgen zu machen braucht«, blaffte Krystal. »Geh in die Schule. Raus hier. Ich bin so wütend auf dich … Wenn du zu spät zur Schule kommst, geschieht dir das Nachsitzen am Nachmittag nur recht. Du brauchst mich gar nicht anzurufen.«
    Am liebsten hätte ich ein Büschel von Krystal Seabrights strohigen Haaren gepackt und sie so lange geschüttelt, bis die Haare in meiner Hand abbrachen.
    Molly drehte sich um und ging hinaus, ließ die Haustür weit offen. Der Anblick, wie sie ihren kleinen Bücherkoffer hinter sich herzog, ließ mein Herz schmerzen.
    »Sie können auch gleich gehen«, sagte Krystal Seabright zu mir. »Oder ich rufe die Polizei.«
    Ich drehte mich wieder zu ihr um und sagte nichts, während ich meinen Zorn zu unterdrücken versuchte. Mir fiel ein, dass ich als Neuling eine schreckliche Streifenpolizistin gewesen war, weil mir die erforderlichen diplomatischen Fähigkeiten zur Schlichtung häuslicher Streitigkeiten fehlten. Ich war immer der Ansicht gewesen, dass manche Menschen eine ordentliche Tracht Prügel verdient hatten. Mollys Mutter war einer dieser Menschen.
    Krystal zitterte wie ein Chihuahua, musste sich ebenfalls zusammenreißen.
    »Um eines klarzustellen, Mrs. Seabright, Molly hat nichts mit der Sache zu tun«, log ich.
    »Ach ja? Sie hat Ihnen nicht erzählt, dass ihre Schwester verschwunden ist und wir die Polizei und das FBI und America’s Most Wanted anrufen sollten?«
    »Ich weiß, dass Erin seit Sonntagnachmittag nicht mehr gesehen wurde. Macht Ihnen das keine Sorgen?«
    »Wollen Sie damit andeuten,
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