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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd
Autoren: Tami Hoag
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sie.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Das kann ja nicht so schwer sein. Man muss nur ein paar Fragen stellen und ein paar Anrufe machen. Ist doch keine Gehirnchirurgie.«
    Sie dachte über meine Antwort nach. Oder überlegte vielleicht, ob sie das, was sie als Nächstes sagte, wirklich aussprechen sollte. »Sie haben früher als Detective im Büro des Sheriffs gearbeitet.«
    Wahrscheinlich wäre ich nicht verblüffter gewesen, wenn sie ausgeholt und mir einen Hammer auf den Kopf gedonnert hätte. Ich und mein Vorsatz, mit Kindern nicht überheblich zu sein! Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass Molly Seabright nach Hause gelaufen war und selbst im Internet nachgeforscht hatte. Plötzlich fühlte ich mich nackt, bloßgestellt auf eine Weise, von der ich mir vorher eingeredet hatte, das würde nicht geschehen. An die Wand gespielt von einer Zwölfjährigen.
    Ich wandte den Blick ab. »Ist das dein Bus?«
    Ein Schulbus war an den Straßenrand gefahren, und die dort versammelten Kinder stiegen ein.
    »Ich geh zu Fuß«, sagte sie steif. »Im Computerarchiv der Post hab ich einen Artikel über Sie gefunden.«
    »Nur einen? Ich bin gekränkt.«
    »Mehr als einen.«
    »Okay, also hast du mein schmutziges Geheimnis aufgedeckt. Ich war Detective beim Palm Beach County. Jetzt bin ich’s nicht mehr.«
    Sie war klug genug, es dabei zu belassen. Klüger als die meisten dreimal so alten Leute, die ich kannte.
    »Wir müssen über Ihr Honorar sprechen«, sagte sie. Ganz die Geschäftsfrau.
    »Ich nehme die Hundert, die du mir angeboten hast, und dann sehen wir weiter.«
    »Ich weiß es zu schätzen, dass Sie mich nicht von oben herab behandeln.«
    »Ich hab gerade gesagt, ich nehme hundert Dollar von einem Kind. Kommt mir ziemlich mies vor.«
    »Nein«, sagte sie und sah mich mit ihren viel zu ernsten Augen durch die Vergrößerungslinsen ihrer Harry-Potter-Brille an. »Das finde ich nicht.« Sie streckte die Hand aus. »Vielen Dank, dass Sie meinen Fall übernehmen.«
    »Himmel. Du gibst mir das Gefühl, dass wir einen Vertrag unterzeichnen sollten.« Ich schüttelte ihr die Hand.
    »Genau genommen sollten wir das auch. Aber ich vertraue Ihnen.«
    »Warum das denn?«
    Ich hatte das Gefühl, dass sie eine Antwort parat hatte, aber wohl dachte, das ginge über mein Begriffsvermögen und daher lieber den Mund hielt. Ich fragte mich allmählich, ob sie wirklich von dieser Welt war.
    »Einfach so«, sagte sie. Die übliche Antwort eines Kindes für Menschen, die ihnen nicht richtig zuhören. Ich ging darüber hinweg.
    »Ich brauche einige Informationen von dir. Ein Foto von Erin, ihre Adresse, Marke und Modell des Autos, das sie fährt, solche Sachen.«
    Während ich sprach, bückte sie sich, öffnete eine Reißverschlusstasche in ihrem Bücherkoffer und zog einen braunen Umschlag heraus, den sie mir reichte. »Da drin finden Sie alles.«
    »Natürlich.« Das hätte mich nicht überraschen sollen. »Und als du im Büro des Sheriff warst, mit wem hast du da gesprochen?«
    »Mit Detective Landry. Kennen Sie ihn?«
    »Ich weiß, wer er ist.«
    »Er war sehr grob und überheblich.«
    »Das war ich auch.«
    »Sie sind nicht überheblich.«
    Ein schwarzer Jaguar bog aus der Einfahrt der Seabrights, ein Mann im Anzug hinter dem Steuer. Bruce Seabright, nahm ich an. Er setzte den Blinker und fuhr in die andere Richtung.
    »Ist deine Mutter zu Hause?«, fragte ich. »Ich muss mit ihr reden.«
    Das gefiel ihr gar nicht. Molly sah aus, als würde ihr übel. »Sie geht um neun zur Arbeit. Sie ist Immobilienmaklerin.«
    »Ich muss wirklich mit ihr reden, Molly. Und mit deinem Stiefvater auch. Ich lass dich aus der Sache raus. Erzähl ihnen, ich sei Versicherungsermittlerin.«
    Sie nickte, schaute immer noch verbissen.
    »Du solltest jetzt in die Schule gehen. Ich möchte nicht als Mittäterin beim Schuleschwänzen einer Minderjährigen verhaftet werden.«
    »Nein«, sagte sie, ging zum Haus zurück, den Kopf hoch erhoben, den kleinen Buchkoffer ratternd hinter sich herziehend. So viel Charakter sollten wir alle haben.
     
    Krystal Seabright sprach in ein schnurloses Telefon, als Molly und ich das Haus betraten. Sie beugte sich über ein Flurtischchen, schaute in einen verschnörkelten Rokokospiegel, versuchte sich mit einem langen rosafarbenen Fingernagel eine falsche Wimper anzukleben, während sie mit jemandem über ein absolut fantastisches Stadthaus in Sag Harbor Court plauderte. Bei einer Gegenüberstellung hätte niemand sie als Mollys
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