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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Jobs oder eines neuen Lovers aus der Stadt abgehauen, aber wenn nicht, konnte es nicht schaden, sich abzusichern.
    Und wenn jemand ihn fragen sollte, was zum Teufel er da machte, würde er sagen, das sei alles Estes Schuld, dachte er gereizt.
    Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee und sah über die Schulter. Die Jungs von der Nachtschicht waren immer noch mit ihrem Papierkram beschäftigt. Landry tippte auf zwei Tasten und holte den Zeitungsbericht über die Razzia bei den Golam-Brüder vor zwei Jahren auf den Schirm. Er hatte den Bericht schon früher gelesen, wusste, was drin stand, wusste genau, auf welchen Absatz sein Blick fallen würde: den Absatz, der beschrieb, wie die Drogenfahnderin Elena Estes an der Tür von Billy Golams Truck hing und dann unter den Wagen fiel. Sie war fünfzig Meter weit über den Okeechobee Boulevard mitgeschleift worden und lag zu dem Zeitpunkt, als der Artikel geschrieben worden war, in kritischem Zustand im Krankenhaus.
    Was sie wohl seit jenem Tag durchgemacht, wie viele Wochen, ja Monate sie wohl im Krankenhaus gelegen hatte? Was um alles in der Welt hatte sie veranlasst, auf das Trittbrett zu springen und zu versuchen, Billy Golam vom Steuer zu drängen?
    Drogenfahnder. Cowboys, jeder Einzelne.
    Zwei Jahre waren vergangen. Was hatte sie die ganze Zeit gemacht, und warum war sie für diesen Fall aus dem Schatten getreten? Und warum hatten sich ausgerechnet ihre Wege gekreuzt?, überlegte Landry.
    Er konnte den Ärger, der mit ihr verbunden war, absolut nicht brauchen. Aber er war hier. Er hatte den Köder geschluckt. Jetzt saß er an diesem Fall.
    Das war alles Estes’ Schuld.
     
    Jill rannte aus der Vordertür des Players, schniefte und hatte Schluckauf, während ihr dicke Tränen, vermischt mit einem schmutzigen Strom schwarzer Wimperntusche, über die Wangen liefen. Sie fuhr sich mit dem Handrücken unter der tropfenden Nase entlang, strich sich dann eine dünne Haarsträhne aus den Augen.
    Die Angestellten vom Parkservice traten zur Seite, starrten sie an, sagten nichts. Sie brauchten sie nicht zu fragen, ob sie ihren Wagen vorfahren sollten, weil sie mit einem Blick erkannten, dass sie kein parkenswertes Auto besaß. Sie parkten Autos für schöne Menschen, reiche Menschen, dünne Menschen.
    »Was starrt ihr mich denn so an?«, blaffte Jill. Sie warfen sich belustigte Blicke zu. »Leckt mich doch!«, schrie sie und rannte schluchzend weiter, über den Parkplatz, knickte mit ihrer Plateausandale um und verstauchte sich den Knöchel. Stolpernd ließ sie die mit Perlen bestickte Handtasche fallen, die sie bei Neiman Marcus geklaut hatte, und der Inhalt ergoss sich auf den Asphalt.
    »Gottverdammte Scheiße!« Sie kroch auf allen vieren herum und brach sich den Fingernagel ab, als sie nach einem Lippenstift und einem Päckchen Kondome griff. »Scheiße! Scheiße!«
    Speichel, Tränen und Rotz tropften von ihrem Gesicht auf den Asphalt. Jill rollte sich zusammen und schluchzte, ein verzerrtes, hässliches Geräusch. Sie war hässlich. Ihre Klamotten waren hässlich. Selbst das Weinen war hässlich. Schmerz stieg in ihr auf wie eine Blase und platzte mit einem neuen Tränenstrom.
    Warum? Sie hatte sich diese Frage schon eine Million Mal in ihrem Leben gestellt. Warum musste sie die Dicke sein, die Hässliche, diejenige, die niemand mochte, ganz zu schweigen von liebte? Das war ungerecht. Warum musste sie hart arbeiten, um sich zu ändern, wenn solche Ziegen wie Erin und Paris das alles umsonst bekamen?
    Sie wischte sich mit dem Ärmel der weißen Spitzenbluse über das Gesicht, sammelte ihre Sachen ein und rappelte sich auf. Ein elegantes älteres Paar, das aus einem Jaguar gestiegen war, starrte sie mit einem Ausdruck des Entsetzens an. Jill zeigte ihnen den Stinkefinger. Die Frau schnappte nach Luft, und der Mann legte schützend den Arm um sie und drängte sie zum Eingang des Lokals.
    Jill schloss ihr Auto auf und warf ihre Tasche und alles, was rausgefallen war, in Richtung des Beifahrersitzes. Sie zwängte sich hinter das Steuer, knallte die Tür zu und brach wieder in Tränen aus. Verzweifelt schlug sie mit der Faust auf das Lenkrad, dann gegen das Fenster, traf schließlich versehentlich die Hupe und fuhr bei dem lauten Geräusch zusammen.
    Ihr großer Plan. Ihre große Verführung. Der reinste Witz.
    Sie war ins Players gegangen, weil sie wusste, dass Jade dort sein würde, hatte gedacht, er würde sie auf einen Drink einladen. Dann hatte sie mit ihm flirten und ihn

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