Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Sicherheit und kannst in Ruhe darüber nachdenken. Wir werden dich verstecken, bis die Sache ausgestanden ist. Und, wer weiß? Vielleicht kommt deine Erinnerung ja auch schon bald zurück. Doch da du nun dein Handwerk vergessen hast, sollten wir dich wohl zunächst verstecken.«
» Aina, meine … Geliebte. Ich will sie sehen. Ist sie hier?«
» Nein, sie ist nicht in Atgath. Das wäre wohl doch zu gefährlich. Sie wartet in der Hafenstadt Felisan auf dich, bis all das hier vorüber ist.«
Er nickte zögernd, dann fragte er: » Und wo wollt ihr mich verstecken?«
Sie lächelte und erhob sich. » Unter der Nase deiner Feinde, hier, in der Burg, kleiner Bruder. Es gibt hier viele vergessene Winkel, und ich denke, das ist der Ort, an dem man dich zu allerletzt vermuten wird. Warte hier, ich werde noch einmal mit Almisan reden. Ich glaube, er hat sogar schon eine geeignete Kammer vorbereitet.«
Als sie fast an der Tür war, rief er: » Noch eines, Shahila: Da war ein Mädchen, hier aus der Stadt, sie hat mir geholfen. Eine Köhlertochter. Die Wachen waren auch hinter ihr her. Hast du vielleicht etwas über sie gehört?«
Shahila runzelte die Stirn. Hielt nicht Meister Hamoch ein Mädchen aus der Stadt in seinen Katakomben gefangen? Das mochte das Mädchen sein, nach dem er fragte. Doch musste er das wissen? » Nein«, sagte sie schließlich, » ich weiß von keinem Köhlermädchen, tut mir leid. Aber nun entschuldige mich einen Augenblick, Sahif.«
Sahif – immer noch klang ihm der Name seltsam fremd in den Ohren. Er sah seiner Halbschwester nach, und dann starrte er in das flackernde Licht der Kerze. Ihn fröstelte. Die Kammer war kalt und dunkel, und jetzt, da seine Schwester und ihr warmes Lächeln fort waren, wirkte sie doppelt leer. Der Nachtfalter taumelte beharrlich weiter um die Flamme, als würde er ihr noch näher kommen wollen, aber am Ende doch wieder vor dem Licht zurückschrecken. Seine Schwester, Halbschwester, hatte ihm erstaunliche, ja, erschreckende Dinge erzählt, und er spürte, dass die meisten davon wahr sein mussten. Das Loch, das sich in seinem Inneren auftat – es war ein Abgrund. Er war ein Schatten, ein Mörder, und sie hatte es ihm mit einem mitleidigen Lächeln enthüllt. Er horchte in sich hinein, hoffte auf ein Echo aus der Dunkelheit, irgendetwas, das ihm sagte, dass das alles nicht stimmte, aber da war nur Leere. Er hatte an ihren Lippen gehangen, als sie ihm enthüllt hatte, wer er war, hatte die Worte aufgesaugt, auch wenn sie ihn erschreckten. Der alte Sahif muss Shahila vertraut haben, denn sonst wäre er wohl nicht hier, aber der neue Sahif? Sollte er ihr ebenfalls vertrauen? Sie hatte ihm nicht alles gesagt, das hatte sie selbst zugegeben. Dafür gab es von ihrem Standpunkt aus gesehen durchaus nachvollziehbare Gründe.
Sahif schloss die Augen und dachte nach. Er hatte den Verwalter getötet, offensichtlich ohne Grund. Das hatte ihm seine Schwester wenigstens erzählt. War sein früheres Ich so kaltblütig, dass er für seine eigene Sicherheit, sein Glück mit seiner Liebsten, über Leichen ging? In welch finstere Pläne hatte er sich einspannen lassen? Shahila schien der Tod dieses Verwalters allerdings auch nicht sonderlich zu bestürzen. Für sie war es offenbar eher eine Art Ärgernis, nicht ein Verbrechen, dass er einem Mann das Leben geraubt hatte. Sie war wenigstens ebenso kaltblütig wie er, ohne Zweifel, und sie hegte finstere Pläne, zu denen sein altes Ich seinen Teil beitragen hätte sollen. Doch was konnten das für Pläne sein, zu denen sie die besonderen Talente eines Schattens brauchte? Der Nachtfalter flog endlich doch ins Licht und verbrannte. Für einen kurzen Augenblick flackerte die Kerze, dann brannte sie weiter, als sei nichts geschehen. Sahif starrte in die Flamme. Vielleicht war die Frage gar nicht, ob der alte Sahif Shahila vertraut hatte, sondern ob er dem alten Sahif vertrauen konnte! Sein altes Ich hatte Menschen getötet, skrupellos, zu seinem eigenen Vorteil und zu dem seiner Schwester. Ein Schatten war er, ein Geschöpf der Finsternis. Nein, das war kein Mann, dem er vertrauen wollte.
Er erhob sich. Wenn er seinem alten Selbst nicht traute, dann erst recht nicht dessen Verbündeter, seiner Halbschwester. Was begehrte sie aus jener geheimnisvollen Kammer, von der sie gesprochen hatte? Er wendete ihre Worte hin und her. Es schien ihm jetzt, dass sie ihm eigentlich mehr verschwiegen als verraten hatte. Wie freundlich und nachsichtig sie ihm
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