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Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Titel: Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Alarm. Also hatte der Leutnant die Jagd schließlich abgeblasen, zehn Mann auf die Herzogsbrücke gestellt und ein paar Bogenschützen am Altstadtufer verteilt. Auch auf den Türmen und Mauern der Stadt waren doppelte Wachen aufgezogen, aber Aggi glaubte nicht, dass das den Schatten wirklich aufhalten würde, wenn er denn hinauswollte.
    Das brachte ihn wieder zur Frage zurück, warum der Mann auf die Hilfe von Ela Grams zurückgegriffen hatte, um nach Atgath hereinzukommen. Das alles ergab keinen Sinn. Oder war der Ruf der Schatten vielleicht größer als ihre tatsächliche Kunst? Er würde der Frage nachgehen, vielleicht noch heute Nacht. Bahut Hamoch arbeitete gerne in der Nacht, wie man so hörte. Er nahm sich vor, noch einmal hinab in die Katakomben zu steigen, auch wenn er sich sehr nach etwas Schlaf sehnte. Als er seine Leute durch die Holzgasse führte, drang plötzlich lauter Lärm an sein Ohr. Irgendwo ganz in der Nähe wurde offenbar gekämpft. Er gab seinen Männern das Zeichen zum Halten. Der Lärm kam aus der Riesenbuche, einer Gastwirtschaft mit sonst recht gutem Ruf. Dann flog dort die Tür auf, und mehrere Männer stolperten heraus. Und einen Augenblick später barst eines der Fenster, weil eine schmächtige Gestalt hindurchgeworfen wurde.
    » Wahnsinn, das ist Wahnsinn«, rief einer von denen, die durch die Tür flüchteten. Er entdeckte die Wache, stolperte auf Aggi zu, fiel, klammerte sich am Leutnant fest und stammelte: » Bitte, mein Gasthaus, helft! Helft!«
    Gedämpfte Schreie und das Gepolter einer wüsten Schlägerei drangen heraus.
    » Wie viele sind es?«, fragte Aggi.
    » Einer, nur einer, aber er ist wahnsinnig«, stammelte der Wirt, der sich hilfesuchend an Aggi festklammerte.
    Aggi sah seinen Leuten an, dass sie wenig Lust auf eine Schlägerei hatten. » Kommt schon, Männer, ich bin sicher, der Wirt gibt eine Runde aus, wenn wir sein Haus retten, nicht wahr?«
    » So ist es, so ist es!«, rief der zitternde Mann.
    Aggi fand sich ein bisschen schäbig, weil er die Not des Wirts ausnutzte, andererseits hielten er und seine Leute nun auch für ihn den Kopf hin. Von drinnen ertönte ein einzelner, kläglicher Schrei und dann ein Gebrüll, dass die Wände wackelten. Einen Augenblick später kroch jemand auf allen vieren jammernd auf die Straße, und fast gleichzeitig flog noch ein Körper durch das bereits zerstörte Fenster heraus.
    » Auf geht’s!«, kommandierte Aggi. Er verzichtete darauf, sein Schwert zu ziehen. Wenn es wirklich nur ein Mann war, würden sie schon ohne Waffen mit ihm fertigwerden.
    Als sie das Gasthaus betraten, fanden sie ein Bild der Verwüstung vor. Tische, Bänke und Schemel lagen kreuz und quer, Öllampen waren aus ihren Halterungen gerissen und baumelten flackernd von der Decke, aus einem großen zerschlagenen Fass strömte Bier auf den Boden, und zwischen zerbrochenen Stühlen und Krügen krochen leise wimmernde Gestalten umher. Überall war Blut, und inmitten des Chaos stand ein Mann in der Haltung eines Ringers und glotzte sie aus blutunterlaufenen Augen an.
    » Bei allen Himmeln – Meister Grams!«, entfuhr es Aggi.
    Der Köhler brummte wie ein Bär, winkte ab und setzte sich seufzend auf einen wackeligen Tisch. » Nur einen Augenblick, bitte«, murmelte er, streckte sich und war eine Sekunde später eingeschlafen. Und dann brach der Tisch unter ihm zusammen.
    Der Namenlose, der also eigentlich Sahif hieß, ließ seinen Blick durch die leere Kammer schweifen. Aus der Stadt drang ferner Lärm durch die geschlossenen Läden. Ein Nachtfalter hatte sich in die Kammer verirrt. Er umflatterte die Kerze, in deren Schein sie beisammensaßen. Seine Schwester lächelte schwach. Sie hatte die Selbstbeherrschung verloren, als sie über ihren Vater gesprochen hatte, und er dachte bei sich, dass sie nicht aussah wie jemand, dem das oft geschah. Sie hatte aber auch von seiner Liebe zu einer Frau gesprochen, und er hatte wieder das Bild vor sich, das Bild eines sanft geschwungenen Nackens. Für einen Augenblick dachte er, dass er nun einen Zipfel seiner Vergangenheit fassen und unter dem Vergessen hervorziehen könnte, und ja, er sah weitere Bilder, doch es waren keine schönen: Ein Mann mit durchschnittener Kehle, der brechende Blick eines Mannes, der unter seinen Händen starb, ein kahler Gang im Dämmerlicht, und dann ein schwarzes Dach im Mondlicht, über das er hinwegschlich. Und dann doch: Das Bild einer weichen Nackenlinie stand für einen Moment sehr deutlich vor

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