Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
halten unsere Brüder vorerst Ruhe. Doch sollte er sterben, ist dein Leben verwirkt.«
» Du glaubst also, jemand hat unseren Bruder Betai getötet?«
Wieder zuckte sie mit den Achseln. » Einige unserer Brüder, Halbbrüder allesamt, denn keiner Frau ist gestattet, mehr als einen Sohn zu gebären, sind früh gestorben, aber es leben außer dir noch elf männliche Nachkommen. Sechs von ihnen stammen wie du von Nebenfrauen und haben keine Aussicht auf den Pfauenthron, denn sie verfügen über keinerlei Hausmacht. Es ist kein Zufall, dass ihnen die Ehe verboten ist. Fünf deiner Halbbrüder stammen jedoch von den Hauptfrauen unseres Vaters, und sie sind es, aus deren Kreis er seinen Nachfolger bestimmen wird. Es gäbe also wenigstens fünf Männer mit Gründen für eine solche Tat, auch wenn Alamaq wahrscheinlich zu jung ist. Vielleicht war es Baran, der älteste und nach Betais Tod der wahrscheinlichste Nachfolger, oder Weszen, der brutalste und rücksichtsloseste unter den Prinzen. Doch spielt das eine Rolle?«
» Also wollte ich mich und … Aina in Sicherheit bringen? Hier, in Atgath?«
Shahila lachte. » Nein, da müsstest du schon erheblich weiter fliehen, kleiner Bruder. Ich behaupte sogar, dass es auf dieser Welt keinen Ort gibt, an dem du sicher wärst. Der Arm des Padischahs ist lang genug, um dich überall auf der Welt zu erreichen. Er gebietet über mächtige Magier, und seine Verbindungen zur Bruderschaft der Schatten sind ausgezeichnet. Nein, es gibt kein Entkommen vor seinem tödlichen Stachel.«
» Möge unser Vater also noch viele Jahre leben«, murmelte Sahif nachdenklich.
» Eine schwache Hoffnung, wenn du mich fragst, denn der Große Skorpion wird allmählich alt, und die Krankheit hat all seinen Feinden und Söhnen in Erinnerung gerufen, dass selbst der unbesiegbare Akkabal at Hassat nicht unsterblich ist. Nein, deine Lösung liegt im Vergessen, und das wiederum findest du hier, in Atgath.«
» Vergessen?«
» Ich will dich nicht mit Einzelheiten langweilen, doch Tatsache ist, dass diese unscheinbare Burg in einer geheimen Kammer einige äußerst mächtige magische Ringe und Amulette birgt, so mächtig, dass sie vor der Welt verborgen wurden. Zu diesen Kostbarkeiten sollen der Legende nach auch ein paar Ringe gehören, die denen, die sie tragen, die Gnade des Vergessens bescheren sollen.«
Sahif barg die Stirn in den Händen. » Das verstehe ich nicht«, gestand er.
» Man wird dich vergessen, Sahif, dich und deine Geliebte, wenn ihr diese Ringe tragt. Unsere Brüder werden nicht einmal mehr wissen, dass es dich gibt oder je gegeben hat. Ich übrigens auch nicht mehr. Ich kann nicht sagen, zu welchem Zweck diese Ringe gefertigt wurden, doch sind sie genau das, was du brauchst.«
» Ich wollte also ein paar Ringe stehlen? Das war alles?«
» Den Schlüssel, du solltest mir den Schlüssel zu dieser Kammer besorgen.«
» Ein Diebstahl also«, murmelte er unglücklich. » Ich nehme an, dass es da andere Schätze gibt, auf die du es abgesehen hast.«
Shahila lächelte. » So etwas in der Art, lieber Bruder, und es ist bedauerlich, dass du mir dabei wohl vorerst nicht mehr helfen kannst. Doch vielleicht haben wir Glück, und dein Gedächtnis kehrt bald zurück.«
Ihr Bruder nickte schwach, und sein Blick ging ins Leere.
Shahila sah ihm an, wie schwer es ihm fiel, all die Dinge, die sie ihm gesagt hatte, zu begreifen. Sie war im Großen und Ganzen mit sich zufrieden. Sie hatte sich die meiste Zeit eng an die Wahrheit gehalten, für den unwahrscheinlichen Fall, dass er die Erinnerung über Nacht wiederfinden würde. Natürlich hatte sie ihm Dinge, von denen er nie gewusst hatte, weiterhin verschwiegen. Und diese Ringe? Schon beim ersten Mal, als sie ihm zögernd, geradezu widerstrebend, von diesen Wunderringen berichtet hatte, hatte er ihr sofort geglaubt. Sie waren wirklich genau das, was er brauchte, und genau deshalb hatte er ihr unbedingt glauben wollen. Wie leichtgläubig die Männer doch waren! Wer, bei den Göttern, sollte denn Verwendung für solche Ringe haben? Sie war sehr stolz auf diesen Einfall. Und nun hatten die Götter auch noch Humor bewiesen, denn sie hatten ihn, der das Vergessen so verzweifelt suchte, es auf so ganz andere und bittere Weise finden lassen.
Sie legte ihm sanft die Hand auf die Wange und schenkte ihm einen Blick, aus dem er Wohlwollen und Mitgefühl lesen sollte. » Ich verstehe, dass all das für dich schwierig zu begreifen ist. Doch bist du nun in
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