Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
wieder ins Haus lassen, sonst könnte es sein, dass Euch einer Eurer ehrbaren Gäste am kalten Ofen erfriert.« Und dann befahl er angewidert den Abmarsch.
Vier Mann waren nötig, um Meister Grams auf der Tischplatte anzuheben. Er war noch schwerer, als er aussah. Vor allem ist er stärker, als er aussieht, dachte Teis Aggi. Er sah sich noch einmal um. Die Riesenbuche wirkte, als hätte ein ganzes Heer darin gewütet. Und nun schafften sie den Köhler in den Kerker der Burg. Ela Grams würde das sicher nicht gefallen.
» Und Ihr glaubt, dass er uns vertraut, Hoheit?«, fragte Almisan leise.
Shahila stand mit dem Rahis auf dem Gang, einige Schritte von der Kammer entfernt, denn ihr Vertrauen zu ihrem Bruder ging nicht so weit, dass sie nicht glaubte, er könne versuchen, sie zu belauschen. Sie blickte auf die schwarzen, lichtlosen Gebäude der Burg. Es sah so aus, als wären sie die einzigen Menschen, die noch auf den Beinen waren. » Du hast doch zugehört, Almisan. Ich denke, ich habe ihm klarmachen können, dass er uns braucht, wenn er überleben will«, sagte sie.
Almisan antwortete nicht.
» Hast du Bedenken, ihn zu töten?«
» Nein, wenn es für Euren Plan erforderlich ist, wird er sterben, Herrin.«
» Vielleicht sollten wir es besser gleich tun, bevor er Schwierigkeiten macht.« Sie genoss die Vorstellung, dass ihr verhasster Halbbruder nur einige Schritte entfernt in der Dunkelheit saß und keine Ahnung hatte, was ihn erwartete.
» Es gibt Männer in dieser Burg, die bemerken würden, ob Sahif vor oder nach dem Tod des Herzogs gestorben ist«, gab Almisan zu bedenken.
Shahila gab ihm widerwillig Recht. Sie betrachtete den Umriss des Hünen in der Dunkelheit. Almisan stammte aus einem Dorf, das in einem der vielen Kriege ihres Vaters niedergebrannt worden war, und der Große Skorpion hatte ihn aufgenommen und dann zur Ausbildung der Bruderschaft der Schatten übergeben. Er hatte schon ihrer Mutter gedient, und eigentlich war es seltsam, dass der Padischah zuließ, dass er nach ihrem Sturz auch der Tochter dienen durfte. Er war unerschütterlich wie ein Fels, doch nun schien er ungewohnt nachdenklich. » Dich beschäftigt noch etwas anderes, oder?«
» Es ist etwas Unberechenbares an ihm, Hoheit. Ich kann es nicht gut erklären, aber er ist nicht mehr der Mann, der er bis gestern war.«
» Ja, er wirkt völlig hilflos.«
» Das meinte ich nicht. Er denkt einfach anders. Das dürfen wir nicht außer Acht lassen.«
Sie seufzte. » Ich weiß leider nicht, was genau du meinst, Almisan, aber ich glaube, wenn du ihn erst einmal in seinem Versteck eingeschlossen hast, ist es gleich, ob er uns noch traut oder nicht. Und ich kann mich endlich um andere Dinge kümmern. Es liegen noch erhebliche Schwierigkeiten vor uns, Almisan.«
» Nestur Quent?«
Sie nickte. » Der alte Zauberer ist tausendmal schlauer als sein Adlatus. Es ist zu schade, dass er so gänzlich unempfänglich ist für die Reize des Goldes, der Frauen oder der Macht.«
» Mit Gold könnten wir ihn auch kaum noch ködern, Hoheit«, sagte Almisan trocken.
Shahila seufzte. In der Tat hatte sie den größten Teil ihrer Mitgift sowie das Vermögen ihres ahnungslosen Mannes in diesen Plan gesteckt, und jetzt waren ihre Mittel nahezu verbraucht. » Dafür ist Meister Hamoch schon beinahe auf unserer Seite. Es fehlt nur noch ein kleiner Stoß, und den wird er bald bekommen«, sagte sie.
» Wollt Ihr diesen Mann tatsächlich in Euer Bett lassen, Hoheit?«
» Natürlich nicht! Ich werde ihm auch da mehr versprechen, als ich zu halten gedenke. Wie ich schon sagte, es wird leichter gehen, wenn er davon überzeugt ist, das Richtige zu tun, nicht für sich, sondern für den Herzog.«
» Und doch zweifle ich, dass er mit dem alten Quent fertig wird, Hoheit«, gab Almisan zu bedenken.
» Alleine sicher nicht. Und deshalb wird er deine Unterstützung bei der Durchführung seines Plans brauchen.« Shahila lachte leise. » Der Arme weiß noch nicht einmal, dass er einen Plan hat, aber wir sollten es so aussehen lassen, als sei er von selbst darauf gekommen.«
» Natürlich, Hoheit.«
» Gut, bring den Prinzen jetzt in sein Versteck. Ich werde ihm einen Gutenachtkuss geben, so wie es sich unter Geschwistern gehört. Und dann werde ich mich endlich zurückziehen. Es ist spät, und morgen wird ein wichtiger Tag.«
Als sie die Kammer betraten, fanden sie sie jedoch verlassen vor. Durch einen offenen Fensterladen fiel Mondlicht auf den nackten Boden.
Weitere Kostenlose Bücher