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Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Titel: Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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wirkte fein, fast zerbrechlich: die kleinen Hände, das bleiche Gesicht, die schmalen Schultern. Und dann diese dunklen Augen – es war kein Wesen von dieser Welt. Wie hatte es sich genannt? Mahr? Der Name war gleich, Sahif begriff, dass er sich mit einem Berggeist unterhielt, einem Berggeist aus den alten Märchen, und aus irgendeinem Winkel seiner Vergangenheit glomm eine Erinnerung auf, eine Stimme, die ihm etwas erzählte oder vorlas. Aber dann erlosch dieser kleine Funke wieder, und er konnte die Erinnerung nicht fassen. Es knackte noch einmal im Stein, dann wurde es still.
    » Ich habe das schon einmal gehört, dieses Knirschen«, sagte Sahif langsam. » Als ich mit Almisan hier unten war.«
    » Der große Mann? Wir haben euch gesehen«, sagte der Mahr.
    Sahif blickte hinauf zum Zugang. Im grünlichen Schein der kleinen Laterne konnte er keine Veränderung feststellen. Dann hörte er ein leises Kratzen. » Das Licht, schnell, lösche das Licht«, flüsterte er.
    Aber der Berggeist reagierte nicht. Die Steinplatte wurde angehoben, und dann zeigte sich Almisans breitschultrige Gestalt vor dem gestirnten Nachthimmel. Doch irgendetwas war zwischen ihnen, eine dünne Schicht Rauch vielleicht. Sahif starrte gebannt hinauf. Er wusste, dass er besser weglaufen sollte, aber irgendwie konnte er nicht, etwas an Almisans Gesichtsausdruck hinderte ihn daran. Der Hüne starrte ihn an. Jetzt leuchtete der kleine Kristall auf, mit dessen Hilfe er sie am Abend durch die Stollen geführt hatte. Almisan ging auf die Knie, leuchtete hinab, genau in Sahifs gebanntes Gesicht, und dann klopfte er mit dem Knöchel auf einen unsichtbaren Fels. Sahif hörte es. Ein leises Pochen auf meterdickem Gestein.
    » Steinzauber«, sagte der Mahr leise und klang sehr zufrieden. » Er sieht nicht, hört nicht. Wir sehen und hören.«
    Faran Ured schlug dieses Mal einen Bogen um den Markt. Er schlich durch die Straßen und achtete darauf, auf der dunklen Seite der Gasse zu bleiben. Der Mond war noch nicht untergegangen, aber der Tag war auch nicht mehr fern. Er musste sich beeilen. Zweimal musste er sich verstecken, weil ihm Soldaten auf Streife begegneten. Aber die Männer waren müde und nicht sehr aufmerksam. Einen Schatten werden sie so jedenfalls nicht fangen, dachte Ured und schlich weiter. Bei den Fernhändlern herrschte noch Ruhe, aber bei dem Weißbart, den er suchte, schien Licht durch die Abdeckplane. Ured starrte hinüber. Musste ausgerechnet dieser Mann schon wach sein? Jetzt konnte die Sache gefährlich werden. Er tastete sich näher heran, bis er Deckung am benachbarten Stand fand, und beschloss, sich die Sache anzusehen. Er nahm seinen Trinkbeutel von der Schulter, goss etwas Wasser auf das Pflaster, legte einen Finger in die Pfütze und murmelte lautlos die Beschwörungsformel. Die kleine Lache gebar ein Rinnsal, das den Fugen im Pflaster folgte, kleinere Unebenheiten überwand und schließlich unter den Stand des Händlers floss. Dann hielt er es an. Ured sammelte sich, ein verzerrtes Bild erschien, und er versuchte, Einzelheiten zu erkennen. Der Händler saß im Schneidersitz auf einem Kissen und trank Tee. Das Bild war verschwommen, aber Ured hatte den Eindruck, dass der Mann sehr entspannt wirkte – es schien, als würde er sehr gelassen auf etwas warten. Ein zweites Kissen lag bereit, und es stand eine zweite Tasse auf der Erde. Faran Ured runzelte die Stirn und erhob sich. Der Mann wartete auf ihn? Er ging hinüber, schlug die Plane vorsichtig zur Seite und trat ein.
    Die Augen des alten Mannes leuchteten auf. » Ich dachte mir schon, dass Ihr mich noch einmal besuchen kommt«, sagte er.
    Faran Ured nickte stumm. Mit dieser Begrüßung hatte er nicht gerechnet.
    » Setzt Euch doch, bitte«, meinte der Händler.
    Er nahm Platz, rührte den angebotenen Tee aber nicht an.
    » Wisst Ihr«, sagte der Händler, » ich habe mich wirklich gefragt, ob mein Gedächtnis mir einen Streich gespielt haben könnte. Den ganzen Tag habe ich darüber nachgedacht, und bis jetzt war ich mir nicht völlig sicher. Aber jetzt, da Ihr hier seid, ist es wohl wahr. Damals, vor über siebzig Jahren in Anuwa, das wart Ihr, oder?«
    Faran Ured nickte, denn er fand, der Mann hatte Ehrlichkeit verdient.
    » Und Ihr seid keinen Tag gealtert«, stellte der Händler fest.
    Ured zuckte mit den Schultern. » Es war übrigens nur eine Kiste Gold, die ich damals gestohlen habe, den Rest haben sich vermutlich die Schatzwächter unter den Nagel gerissen«,

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