Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Grams.
» Burg Atgath, jedoch nicht dort, wo die feinen Herrschaften wohnen. Du bist im Kerker, Köhler. Sollst einiges Unheil angerichtet haben, gestern.«
Grams brauchte seine ganze Kraft, um sich aufzusetzen. Er fühlte sich schlaff, wie ein Sack Kohlenstaub. » Ich kenne dich irgendwoher«, sagte er.
» Klar kennst du mich, ich nehme hier unten die Kohlen entgegen, wenn du lieferst«, sagte der Wächter. Er saß an einem Tisch und schnitt sich dicke Kanten Brot von einem Laib. Grams bemerkte, wie völlig ausgehungert er war. » Wann gibt es Frühstück in dieser Herberge?«, fragte er.
» Vielleicht gar nicht«, meinte der Wächter.
» Wenn ich verhungere, gibt es im nächsten Winter keine Kohlen«, antwortete Grams übellaunig.
» Es gibt sicher noch andere Köhler.«
» Aber nicht in Atgath. Sag, meine Tochter Ela, ist sie hier?«
Der Wächter grinste noch etwas breiter und schüttelte den Kopf. » Sie ist bei Meister Hamoch. Er befragt sie.«
» Was soll das heißen, Mann?«
Der Wächter streckte ein Bein aus, und Grams sah, dass das andere Bein unter dem Knie in einem Holzstumpen endete.
» Wart’s ab. Vielleicht befragt Hamoch dich bald selbst. Und dann wirst du sehen, was das heißt. Vielleicht befragt er sie mit dem glühenden Eisen, vielleicht mit Zauberei, wer kann das wissen?«
» Glühendes Eisen?«, flüsterte Grams entsetzt.
» Dann hätte sie noch Glück, wenn du mich fragst. Denn wenn er erst mit der Zauberei anfängt, nein, mein Freund, ich hab’ Leute gesehen, denen das widerfahren ist. Ist, als würde einer das, was im Kopf ist, zu Mus verarbeiten, verstehst du? Sabbernde Hohlköpfe werden das. So sieht’s aus.«
» Ela«, flüsterte Grams. Er war gekommen, um sie zu retten. Und dann hatten ein paar Krüge Bier ihn dazu gebracht, seine Tochter zu vergessen. Er hatte versagt, und der Gedanke an das, was seiner Tochter gerade widerfahren mochte, trieb ihm den Angstschweiß auf die Stirn.
Es roch nach Haferbrei. Ela sprang auf und stieß sich den Kopf. Sie war immer noch in dieser schrecklichen, stinkenden Kammer, aber über den üblen Geruch jener Flüssigkeit wehte der vertraute Duft von Haferbrei. Ela presste das Gesicht an das Gitterfenster der Pforte. Eines dieser merkwürdigen kleinen Wesen stand davor und hielt ihr eine Schüssel mit einer dampfenden, graubraunen Masse hin.
» Willst du nicht die Tür öffnen und mir die Hände losbinden? Dann kann ich selber essen …«
Der Homunkulus starrte sie stumm an, nahm den Holzlöffel und schickte sich an, sie durch das Gitterfenster zu füttern. Sie blickte auf den Löffel, dann auf das Wesen, dann wieder auf den Löffel. Sie öffnete versuchsweise den Mund, und es stopfte den Löffel hinein. Hungrig schluckte sie. Es schmeckte nach nichts.
Sie nahm den zweiten Löffel. » Da fehlt Honig«, sagte sie.
Der Homunkulus schwieg und fütterte sie weiter. » Sahne wäre auch nett, weißt du?« Sie plapperte, weil jetzt, da sie wieder richtig wach war, die Angst zurückkehrte.
Der nächste Löffel.
Erst jetzt sah Ela, dass die anderen Homunkuli in einiger Entfernung standen und ihr zusahen. » Nüsse, es wäre doch die richtige Zeit für schöne, frische Walnüsse.«
» Was macht ihr da?«, fragte eine unfreundliche Stimme von der Treppe. Es war der Adlatus, und Esara war bei ihm. » Habt ihr nichts Besseres zu tun? Eure Brüder, kümmert euch um eure Brüder!«
Der Homunkulus zögerte, sah Ela mit seinen unheimlichen, blassen Augen noch einen langen Moment an, dann stellte er die Schale mit dem Haferbrei auf dem Boden ab und trottete zum Fuß der Treppe.
» Ist euer Bruder Utiq zurück?«, fragte der Adlatus, aber keiner der Homunkuli reagierte auf diese Frage.
» Vielleicht hat er etwas entdeckt und verspätet sich deshalb, Herr«, sagte Esara.
» Nein. Er hatte seine Befehle. Es muss ihm etwas zugestoßen sein«, sagte Bahut Hamoch nachdenklich. » Oder es ist das Alter. Sieh dir Ilep an, Esara, er hinkt noch stärker als gestern.« Dann zuckte er mit den Achseln und sagte mit düsterer Miene: » Wir können es nicht ändern.«
» Ja, Herr«, sagte Esara, und Ela fand, dass sie für einen kurzen Augenblick bekümmert aussah.
Der Adlatus stieg die Treppe herab. » Kontrolliert die Temperatur und steigert sie langsam. In einer Stunde, höchstens zwei, müssen wir sie wecken. Seht doch, wie weit sie schon sind!«
Ela sah hinüber zu den vier Glaskolben. Die gärende Flüssigkeit hatte sich verändert, sie war viel heller
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