Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
geworden, klarer. Es sah aus, als würden vier tote Kinder in diesen Gläsern treiben, nackte Leiber, die gelegentlich ein unwillkürliches Zucken durchlief. Ihre Augen waren noch geschlossen, und weißliche Hautfetzen schienen sich von den Körpern zu lösen – oder fügten sie sich an? Ela wandte den Blick ab.
» Hältst den Anblick nicht aus, Mädchen?«, fragte Esara, die dem Homunkulus die Schüssel mit Haferbrei abgenommen hatte. In ihrem Blick lag Triumph. » Sie sind bald so weit, und noch heute liefert Meister Dorn die neuen Kolben. Für dich, Mädchen, für dich!«
» Aber ich habe nichts Unrechtes getan!«, rief Ela und kämpfte gegen die aufsteigende Panik an.
» Einem Schatten hast du geholfen, dich gegen deine Mitbürger und den guten Herzog Hado verschworen. Ist das nichts Unrechtes? Nein, es ist Hochverrat. Sei froh, dass du nicht den Weg anderer Verräter gehst; Monate im Kerker, Folter, dann der Prozess, bei dem die ganze Welt von deiner Schande erfährt, und am Ende doch nur der lange Weg zum Richtblock, wo der Henker auf dich wartet. Und dann die kalte Grube, irgendwo in ungeweihter Erde, wo die Würmer dir das Fleisch von den Knochen nagen. Das alles ersparen wir dir, obwohl du es wahrlich verdient hättest. Du solltest uns dafür danken. Und wenn dein Leben schon eine Verschwendung war, so wird dein Ende doch noch einen Sinn haben. Vier Kinder wirst du gebären durch deinen Tod.«
» Nur drei, Esara, ich glaube, dieses Mädchen bringt nur Material für drei«, sagte der Adlatus, der hinzugetreten war. » Und ich denke, Dankbarkeit dürfen wir nicht erwarten. Sie sieht nur den Tod, nicht das, was wir ihr ersparen, nicht das, was wir ihr ermöglichen – ihr Weiterleben in ihren, in unseren Kindern! Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse. Du bist die erste Frau, die wir verwenden können, Kind. Füttere sie ruhig, Esara, sie soll bei Kräften sein, wenn es so weit ist.«
» Aber, Ihr könnt doch nicht …«, rief Ela.
» Doch, wir können«, schnitt ihr Esara kalt das Wort ab. » Und nun mach den Mund auf und iss.«
Leutnant Aggi hatte das untere Tor von Burg Atgath gerade erreicht, als er plötzlich Faran Ured vor sich sah. Im Gegensatz zum Leutnant schien der Fremde jedoch nicht in Eile zu sein.
» Nanu, Meister Ured? Was führt Euch zur Burg?«
» Man hat offensichtlich Fragen zur Heilkunst an mich, Herr Hauptmann«, begrüßte Ured ihn freundlich.
» Leutnant bin ich, und Aggi ist der Name. Ihr seid ein Heiler?«
» Aber nicht doch! Meine weiten Reisen haben mich jedoch das eine oder andere Kraut kennenlernen lassen, das bei verschiedenen Leiden hilfreich sein kann. Euer Feldscher versteht dennoch weit mehr davon als ich. Und was führt Euch zur Burg? Ist Euer Dienst immer noch nicht zu Ende? Ihr seht ein wenig müde aus, wenn ich das sagen darf.«
Aggi war nur sehr kurz zuhause gewesen, hatte sich gewaschen und die Vorwürfe seiner Mutter ertragen. Dann hatte ihn der Befehl von Meister Quent ereilt, und so wurde es wieder nichts mit ein wenig Schlaf. Er gähnte und sagte: » In dieser Stadt gibt es wohl keine Ruhe, es sei denn, man ist tot. Und ich darf nun wegen eines Toten Meister Quent aufsuchen.«
» Wegen eines Toten? Ist denn schon wieder jemand ermordet worden?«, fragte Ured und klang besorgt.
» Ein Händler, aber es ist noch gar nicht sicher, ob es Mord war. Vielleicht liegt es an diesem verfluchten Schatten, der uns immer wieder entwischt, dass ich sogar hinter dem Ende eines alten Mannes ein Verbrechen vermute. Es sind böse Zeiten, wirklich.«
» Nun, böse Zeiten brauchen gute Männer, wie man sagt, Leutnant. Ich denke, die Menschen dieser Stadt können froh sein, Euch zu haben.«
Aggi starrte den Mann kurz verwirrt an. » Ihr seid zu freundlich«, sagte er dann. » Ihr seid auf dem Weg zum Feldscher, Meister Ured?«
» Wir haben denselben Weg, denke ich, denn Meister Quent hat auch mich rufen lassen. Doch nicht wegen eines Toten, wie ich hoffe.«
Faran Ured hoffte es wirklich. Er ließ sich nichts anmerken, aber er war besorgt. Wie war man darauf gekommen, dass der Händler nicht einfach am Versagen seines alten Herzens gestorben war? War er so nachlässig geworden, dass er Spuren hinterließ? Er war wirklich aus der Übung. Natürlich war das kein Wunder, hatte er doch seit beinahe fünfzehn Jahren die Pfade seines alten Lebens gemieden. Aber dann war Prinz Weszen mit seinem verfluchten Schiff gekommen, hatte seine Frau und seine Töchter als Geiseln
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