Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Geräusch gehört. Er drehte sich schneller, und dann – Ela starrte gebannt hinüber –, dann öffneten sich seine großen Augen. Er begann zu zappeln, die kleinen Arme und Beine stießen hart gegen das einengende Glas, oben spritzte Flüssigkeit aus dem Gefäß, und der Kolben begann, bedrohlich zu schwanken. » Den Spreizer, schnell doch!«, rief Hamoch. Er riss einem der Homunkuli die eigenartige Zange mit den Gelenkarmen regelrecht aus der Hand, während Esara den Trenner mit ihren starken Händen festhielt. Der Adlatus steckte den Spreizer in den Kolben, und der neue Homunkulus, der den metallenen Eindringling bemerkte, zuckte zurück, schlug um sich und kauerte sich dann plötzlich zusammen. » Guter Junge«, murmelte Esara, » guter Junge«, und auch auf ihrer Stirn standen Schweißtropfen.
Hamoch schob die Metallarme weiter hinein, bewegte die Griffe, und ruckartig klappten die beiden Arme auseinander und stießen innen gegen das Glas. Es knirschte, und dann zeigte sich plötzlich ein langer Sprung. Hamoch stöhnte, sein Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung, er drückte noch einmal – und dann platzte der Kolben. Ein Schwall gelber Brühe ergoss sich über den Boden, sammelte sich in einem Ablauf und verschwand in einer Wand. Fahler Dampf wallte auf, und für einen Augenblick war Ela die Sicht genommen. Als der Dunst sich verzog, sah sie, dass Esara den Hals des Kolbens behutsam zur Seite stellte. Das Gefäß war sauber in zwei Hälften geplatzt. Dann entdeckte sie den Homunkulus: Er lag zusammengerollt auf dem Boden, inmitten der gelben Brühe, zuckte mit Armen und Beinen und zitterte erbärmlich. Hamoch beugte sich hinab, sah seinem Geschöpf in die Augen und hauchte ihm in einer seltsam zarten Geste ins Gesicht. Der Homunkulus schnappte nach Luft. » Nerep sollst du heißen, nach dem siebzehnten Buchstaben«, sagte Hamoch sanft. Und dann schrie er Esara an, weil sie fasziniert zusah und noch nicht das verlangte Handtuch geholt hatte, um den neu geborenen und gierig nach Luft schnappenden Homunkulus von Hautfetzen und Grind zu reinigen.
Faran Ured verließ die Burg mit gemischten Gefühlen. Quent hatte ihn lange befragt und hatte alles über seine Reisen und die Kräuter wissen wollen, die er dabei kennengelernt hatte. Es war ihm inzwischen klar, dass der Zauberer nach einem Heilmittel für die starken Kopfschmerzen suchte, die den Herzog offenbar schon seit Jahren quälten. Ured war freundlich, offen und mitteilsam gewesen, hatte die eine oder andere vielleicht hilfreiche Pflanze empfohlen, und am Ende doch keinen Rat gewusst. Wolkenkraut und Mohnmilch blieben das Beste, was er anbieten konnte, sehr zur Enttäuschung Quents. » Da tauschen wir nur Schmerz gegen Wahnsinn«, hatte dieser schließlich gerufen und Ured ziemlich brüsk stehen lassen.
Ured war jedoch nicht beleidigt, sondern erleichtert, denn er spürte, dass die Wirkung des Blindkrauts allmählich nachließ. Als er durch das Tor ging, dachte er, dass der alte Magier offensichtlich zu Übertreibungen neigte: Sein Mittel beruhigte den Schmerz, gepaart mit wilden Illusionen, wenn man es zu stark dosierte. Und natürlich, wer es zwei- oder dreimal gekostet hatte, wollte nicht mehr ohne leben. Aber dennoch, er hatte den Herzog gesehen, hatte gesehen, wie sehr ihn der jahrelange Schmerz zermürbt hatte. Mit dem Mittel – Ured nannte es in Ermangelung eines besseren Namens Wolkenmilch - würde er zwar Dinge wahrnehmen, die gar nicht da waren, dafür würde er aber etwas, das sehr wohl da war, nämlich den dauernden Schmerz, nicht mehr spüren. Ured war nicht entgangen, dass Quent bei der Frage nach der Ursache dieses Schmerzes sehr ausweichend antwortete, aber er war sich nach dem, was er am Vorabend gesehen hatte, sicher, dass Magie dabei im Spiel war. Konnte es an dem Amulett der Mahre liegen? Aber ein Amulett konnte man ablegen. Nein, es musste etwas anderes sein.
Noch etwas anderes beschäftigte ihn: die Baronin. Ihr Vorschlag, ein Kopfgeld auszusetzen, hatte ihn überrascht. Er war eigentlich zu dem Schluss gekommen, dass der Schatten in ihrem Sold stand. Wie so vieles in dieser Geschichte ergab ihr Vorschlag also keinen Sinn. Und wie sie ihn angesehen hatte! Sollte sie etwa Verdacht geschöpft haben? Quent hatte dank des Blindkrauts nichts gemerkt, da war sich Ured ziemlich sicher, aber sie schien irgendwie misstrauisch geworden zu sein. Sie war sehr gefasst mit Quents Zurückweisung umgegangen. Ob sie geahnt hatte, dass er ihren
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