Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Vorschlag ablehnen würde? Vielleicht wollte sie nur vorbeugend jeden Verdacht entkräften, dass der Schatten etwas mit ihr zu tun haben könnte. Ja, das erschien ihm einleuchtend, aber ganz zufrieden war er mit der Erklärung nicht. Auf jeden Fall schien sie ihre Pläne, wie immer die auch aussahen, energisch voranzutreiben. Ured war sehr gespannt auf ihren nächsten Zug.
Als er durch das Tor schritt, dachte er kurz darüber nach, umzukehren und sich unter irgendeinem Vorwand die Schatzkammer anzusehen. Die meisten Wachen waren in der Stadt auf der Jagd nach dem Schatten, und die Sicherheit der Burg wurde offensichtlich vernachlässigt. Vermutlich, weil sie glaubten, dass dem Herzog nichts geschehen konnte, oder vielleicht auch, weil sie über die Jagd die Übersicht verloren hatten. Der Weg war also beinahe frei. Aber dann hielt er es für ein unnötiges Risiko. Er hatte vom Feldscher inzwischen erfahren, dass die Kammer, im Gegensatz zum Burgherren, nicht durch Zauber geschützt wurde. Also waren ihm nur Menschen und Mauern im Weg – und mit beiden konnte er fertig werden.
» Ihr seid also sicher, dass er im Palast Eures Vaters war?«, fragte Almisan noch einmal.
» Würde ich es sonst sagen?«
» Verzeiht, Hoheit, doch Ihr wart, wie Ihr selbst gesagt habt, damals noch ein Kind.«
» Er ist es. Diese unerschütterliche Freundlichkeit, die blonden Haare, die hohe Stirn. Ich glaube, er hat sich seither kein bisschen verändert.«
» Und Euer Vater nannte ihn einen Wassermeister?«
» Almisan, ich wiederhole mich nur ungern.«
» Verzeiht, Hoheit«, sagte der Rahis mit dem üblichen unbewegten Gesicht. » Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
» War er es vielleicht, der den Händler tötete?«, fragte Shahila.
Almisan zuckte mit den Schultern. » Ich habe den Mann, den Ihr getroffen habt, zwar nicht gesehen, aber Eurer Beschreibung zufolge könnte er es gewesen sein. Auch wenn der Händler nicht durch Zauberei, sondern durch ein mir unbekanntes Gift getötet wurde.«
» Ich weiß«, sagte Shahila nachdenklich. » Nach allem, was ich hörte, glaubt selbst Quent, dass der Fernhändler eines natürlichen Todes gestorben ist.« Dann stellte sie die Frage, die ihr auf den Nägeln brannte: » Könnte es sein, dass mein Vater ihn schickt?«
Almisan hob die Brauen, schwieg eine Weile nachdenklich und sagte dann: » Aber zu welchem Zweck, Hoheit?«
Darauf hatte Shahila zunächst keine Antwort, aber dann sagte sie: » Vielleicht lässt er mich überwachen. Es sähe ihm ähnlich. Immer hat er seinen Kindern misstraut, immer hat er sie beobachtet. Ist es nicht so?«
» In Taddora hat er uns jedenfalls nicht überwacht, das hätte ich bemerkt«, sagte Almisan. » Warum sollte er also ausgerechnet jetzt damit anfangen?«
Shahila nagte an ihrer Unterlippe. Der Gedanke, dass ihr Vater etwas mit diesem Fremden zu tun hatte, beunruhigte sie mehr, als sie gedacht hätte. War das nur die alte Furcht, die sie vor dem grausamen Mann empfand?
» Ich wäre dennoch beruhigter, wenn dieser Meister Ured tot wäre«, meinte sie schließlich.
» Wenn Ihr es befehlt, wird es geschehen, Hoheit, doch glaube ich, dass es zur Zeit mehr schaden als nutzen würde. Diese Toten und vor allem der Schatten beunruhigen die Leute, und Quent ist doch jetzt schon misstrauisch«, fügte er hinzu, als Shahila schwieg.
Sie öffnete ein Fenster, denn es verlangte sie nach frischer Luft. Dann ließ sie ihren Blick über die Dächer der Stadt schweifen. Kaum zu glauben, dass dieses Nest die ganzen Anstrengungen wirklich wert sein sollte. Sie fröstelte. Es gefiel ihr einfach nicht, dass der Wassermeister hier aufgetaucht war. Es war wieder etwas, das nicht war, wie es sein sollte. Doch bevor sie dem Gedanken weiter nachgehen konnte, trat ihr Gemahl ein. » Ich wollte dich fragen, ob du es dir nicht doch anders überlegt hast, Geliebte«, fragte er.
» Die Kämpfe? Nein, danke, aber es ist mir wirklich zu kalt da draußen, und ich fühle mich auch ein wenig müde. Hattest du eigentlich Gelegenheit, mit deinem Bruder zu sprechen?«
» Nein«, sagte Beleran bekümmert. » Es scheint wirklich, dass er eine schlimme Nacht hatte, und Quent und der alte Ostig, sein Diener, wollen niemanden zu ihm lassen.«
» Quent ist sehr auf seine Gesundheit bedacht, wie mir scheint«, meinte Shahila.
» Ich weiß nicht, was wir ohne ihn tun würden.«
» Ja, er scheint unentbehrlich. Es ist schade, dass er kein Mittel gegen das Leiden deines Bruders
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