Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
sagt, er habe vergangene Nacht seine Beobachtungen zu gewissen Sternen abgeschlossen, und er habe nun wieder mehr Zeit, sich um die Belange der Burg und der Stadt zu kümmern. Aber ich nehme an, das wisst Ihr bereits.«
» Kümmern? Inwiefern kümmern?«, fragte der Adlatus, der offensichtlich völlig ahnungslos war.
» Die Leiche, die heute Morgen entdeckt wurde, er hat sie eigenhändig untersucht, ja, er beaufsichtigt sogar die Jagd auf den Schatten.«
» Aber diese Aufgabe hat er doch mir übertragen. Und was für eine Leiche? Ich weiß von keiner Leiche.«
» Vielleicht ist er mit Euren Fortschritten in diesem Fall nicht zufrieden, vielleicht fürchtet er aber auch gerade, Ihr könntet zu viel herausfinden.«
» Ich kann Euch nicht ganz folgen, Herrin«, stöhnte der Zauberer.
Sie legte ihm in freundschaftlicher Geste und auch, weil sie wusste, dass ihre Nähe, ihr Duft auf ihn betörend wirkten, eine Hand auf den Arm und sagte: » Denkt Euch, ich habe ihm heute vorgeschlagen, aus meiner eigenen Schatulle ein Kopfgeld zur Ergreifung des Schattens auszuloben, und er hat abgelehnt.«
» Wirklich? Das ist seltsam«, meinte der Magier, der einen halben Schritt vor ihr zurückwich. Dafür war Shahila nicht undankbar, denn er roch nach Fäulnis und Verwesung, wie sein ganzes Laboratorium.
» Mir ist da noch etwas aufgefallen, Meister Hamoch«, fuhr sie fort. » Ich hörte, der Schatten sei in eine Eurer Fallen getappt und durch eine Explosion fast getötet worden.«
» Das ist richtig. Es war eigentlich nur ein Experiment, ich hätte nie damit gerechnet, dass wirklich einmal …«
» Man hat mir etwas von Schießpulver berichtet.«
» Oh ja, das schwarze Pulver, eine mächtige Erfindung. Warum sollte man es nur für Kanonen verwenden? Ich habe es mit anderen Zutaten gemischt, um die Wirkung zu verbessern, und in Gefäßen, die …«
» Und gab es keinen lauten Knall, keinen Blitz?«
» Nun, doch, ein wenig gedämpft vielleicht, denn ich fürchte, es ist feucht geworden, bei dem dauernden Regen der letzten …«
» Und Meister Quent hat ihn nicht gehört? Hat nichts gesehen? War er denn nicht auf dem Nordturm in dieser Nacht?«
» Wie? Nun, ich weiß nicht, ob er … obwohl, nun, da Ihr es sagt, ja, es stimmt. Der Regen hatte schon aufgehört, als es geschah. Es ist wirklich eigenartig, dass er nicht wenigstens den Blitz gesehen hat. Sogar einige Wachtposten auf den Türmen der Stadtmauer haben ihn doch bemerkt. Aber vielleicht war er gerade in diesem Augenblick so in seine Sterne vertieft, dass …«
» Sterne? War die Nacht nicht sehr bewölkt? Wir lagerten nur wenige Stunden von Atgath entfernt, und ich sage Euch, in dieser Nacht war es äußerst schwierig, durch die wenigen Wolkenlücken auch nur einen einzigen Stern am Himmel zu sehen.«
Der Adlatus verstummte. Offenbar versuchte er zu begreifen, worauf sie hinauswollte.
Sie seufzte, näherte sich ihm wieder und sah ihm tief in die Augen. » Ich kann verstehen, dass ein Mensch ohne Arg, ein Mann wie Ihr, sich nicht vorstellen kann, dass Quent etwas Böses im Schilde führt, doch leider hege ich einen Verdacht.«
» Ihr meint, er hat … er hat etwas mit dem Schatten zu tun?«, stotterte Hamoch.
Sie bejahte es mit einem zögernden Nicken. » Ich würde nichts sagen, wenn es nur die beiden Anzeichen gäbe, die ich Euch eben geschildert habe, doch sind mir noch andere beunruhigende Dinge aufgefallen. Warum verhindert er, dass wir den Herzog treffen? Nicht einmal sein Bruder Beleran darf zu ihm. Und dann kommt ein Fremder in die Stadt und wird ohne Umstände zu Hado geführt? Ja, er darf ihm sogar ein angebliches Wundermittel verabreichen, das meinen armen Schwager nur leider fast um den Verstand bringt! Und wisst Ihr, wen ich mit diesem Fremden in vertrautem Gespräch überrascht habe? Quent! Was hat er mit diesem Fremden zu schaffen? Hält er nicht sonst alle Menschen, Euch ebenso wie uns, mit allen Mitteln von meinem Schwager fern? Hat er Euch nicht von der Behandlung des langjährigen Leidens des armen Hado ausgeschlossen? Und nun darf dieser Fremde, mit Quents Segen wohlgemerkt, dem Herzog näher kommen als Ihr oder ich?«
Sie konnte sehen, wie es in Hamoch arbeitete. Die Anwesenheit des Wassermeisters beunruhigte sie zwar, aber warum sollte sie sein Auftauchen nicht zu ihrem Vorteil nutzen? Sie seufzte und ließ tiefe Sorge aus ihren Zügen sprechen. » Es gibt da noch etwas, Hamoch, etwas, das mich weit mehr beschäftigt als alles andere.«
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