Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Sie wandte sich halb ab und legte eine wirkungsvolle Pause ein, bevor sie stockend fortfuhr: » Wusstet Ihr, dass die Einladungen, die an Beleran und seine Brüder verschickt wurden und von denen angeblich niemand in Atgath zu wissen schien, dass diese Einladungen von Quent selbst versandt wurden?«
Der Adlatus schüttelte den Kopf. » Von Quent? Die Einladungen? Wozu? Was sollte er damit bezwecken?«
» Ich fürchte das Schlimmste, Meister Hamoch. Wenn alle Brüder an einem Ort versammelt sind, und mit ihnen Prinz Gajans Kinder, und wenn dann etwas Schreckliches geschähe …« Sie stockte wieder, tat, als würde sie von Sorgen überwältigt und führte ein Tuch an den Mund, als müsse sie gleich weinen.
» Nein, ich bitte Euch! So beruhigt Euch doch!« Unbeholfen legte Hamoch ihr eine Hand auf den Arm. Sie drängte sich an ihn, obwohl es ihr fast den Atem verschlug, weil der schweflige Gestank auch aus Hamochs Kleidern zu steigen schien. » Ich fürchte das Schlimmste!«, wiederholte sie flüsternd.
Hamoch schüttelte den Kopf. » Ich gestehe, dass auch ich diese Zeichen beunruhigend finde, doch kann ich keinen Sinn darin entdecken. Was hätte Quent davon?«
» Die Kammer, Hamoch, die Kammer! Die mächtigen Geheimnisse! Er kennt sie, da bin ich sicher. Warum, glaubt Ihr, ist er Euch bei dem Bankett so über den Mund gefahren? Er will nicht, dass andere von ihren Geheimnissen erfahren! Und das kann doch nur bedeuten, dass Quent sie für sich will. Ja, ich fürchte, er wird nicht davor zurückschrecken, den Herzog und all seine Verwandten auszulöschen, um diese Geheimnisse an sich zu bringen.«
Hamoch trat einen Schritt zurück und sah sie mit großen Augen an. » Seine Verwandten? Aber …«
» Der Schlüssel, Hamoch, der magische Schlüssel. Sagt mir nicht, dass Ihr nicht wisst, dass der Schlüssel zur Kammer von Herzog zu Herzog vererbt wird. Aber wer, frage ich Euch, wird ihn wohl erben, wenn kein Herzog mehr lebt?«
Hamoch sah sie verwirrt an, und Shahila begriff, dass der Mann nicht viel über diesen Schlüssel wusste. Wie dumm von Quent, seinen Nachfolger nicht in dieses Geheimnis einzuweihen. » Es ist genau, wie Ihr gesagt habt, Hamoch. All diese magischen Gegenstände, von denen Ihr gesprochen habt – sie stammen wirklich aus Oberharetien, ja, nicht nur aus dieser Gegend, sie stammen aus Atgath, noch genauer, sie stammen aus der geheimen Kammer, von der Euch Quent nie etwas erzählt hat, obwohl Ihr doch angeblich sein Nachfolger sein sollt. Und den Schlüssel zu dieser Kammer verwahren seit Jahrhunderten die Herzöge. Das magische Wort, von dem Hado immer spricht: Seit sechshundert Jahren kommt es von einem Herzog auf den nächsten, aber wer wird den Schlüssel nehmen, wenn es keine Erben mehr gibt? Denkt nach! Ist Quent nicht schon jetzt die wahre Macht hinter dem Thron, Hamoch?«, fuhr Shahila fort. » Er weiß von der Magie in der verborgenen Kammer, und sie stellt für ihn eine ungeheure Versuchung dar. Ich fürchte, er will sie an sich bringen.«
» Ein magischer Schlüssel?«, murmelte Hamoch. » Natürlich, das Wort! Hados Leiden! Ich war blind! Aber Augenblick, der Herzog, er ist beschützt, selbst Quent könnte ihn nicht töten, auch nicht mit stärkster Magie.«
» Und wenn er einen Weg gefunden hat? Was glaubt Ihr, was er in den letzten Monaten getan hat, auf dem abgelegenen Nordturm, den niemand außer ihm betreten durfte? Glaubt Ihr wirklich, dass ein Zauberer des neunten Ranges sich damit begnügt, die Sterne anzustarren?«
» Wenn Ihr es so darstellt, aber … ich … ich muss darüber nachdenken.«
» Bitte, Hamoch, denkt nach, doch denkt schnell, denn ich fürchte, sobald die Brüder des Herzogs hier versammelt sind, wird etwas Schreckliches geschehen. Meine Familie ist auf Eure Hilfe, Euern scharfen Verstand und Eure Tatkraft angewiesen!«
Der Magier wandte sich kopfschüttelnd ab, und Shahila fragte sich, ob er vielleicht noch begriffsstutziger war, als sie gedacht hatte, und sie war froh, dass sie nicht von seiner Tatkraft abhängig war. Aber da drehte er sich plötzlich um und rief: » Das Schiff! Sie kommen mit dem Schiff!«
» Nun, auch mein Ehemann und ich wären beinahe mit diesem Schiff gekommen. Was habt Ihr denn?«
» Das Wetter, der Regen, der Wind, der über Nacht gedreht hat … ich bin ein Narr!«
» Verzeiht, Meister Hamoch, ich kann Euch nicht folgen.«
» Nestur Quent – er ist ein Meister des Windes, ein Meister von höchstem Rang. Man erzählt sich
Weitere Kostenlose Bücher