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Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Titel: Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Kraft in seine Adern schoss. Schon lange hatte sich der alte Zauberer nicht mehr so jung und lebendig gefühlt wie jetzt, inmitten von Chaos und Sturm. Schnee tanzte durch die Kammer, und die lächerliche Flamme, die diese hagere Frau gegen ihn gesandt hatte, war erloschen.
    Alchemistische Kinderspiele? Damit griffen sie ihn an? Und dieser Versager Hamoch wagte es nicht einmal selbst? Er versteckte sich hinter einem Schatten, aber es würde ihm nichts nutzen. Quent fühlte sich jung, stark und unbesiegbar. Die Winde verliehen ihm genug Kraft, um es mit zehn Schatten aufzunehmen. Jetzt erkannte er den Mann. Der Leibwächter der Baronin?, dachte Quent verwundert. Sie hat einen Schatten an ihrer Seite? Er hatte sie wirklich unterschätzt. Er sah Hamoch, der ängstlich über den Boden kroch. Der Schneesturm wütete durch die Tür, der Frost zwang den Schatten in die Knie, und Quent beschwor einen Blitz, um die Sache zu beenden. Plötzlich blieb die Zeit stehen. Das Zischen – der heulende Wind hatte es übertönt, aber nun, da er im Auge des Sturms stand, hörte er es wieder. Es kam von oben. Er blickte auf. Das Zischen endete, die Zeit endete – und dann explodierte die Welt.
    Die Detonation zerfetzte die Decke über Nestur Quent, er riss die Arme nach oben und wollte einen Schutzzauber wirken, doch jetzt war er zu langsam: Die Druckwelle warf ihn zu Boden, und dann folgten Zentner von Gestein, Holz, Mörtel. Mit Erstaunen sah Quent plötzlich den grauen Himmel über sich. Aufgewirbelte Papierfetzen und Herbstlaub umtanzten ihn im Schneegestöber. Der Turmhelm war fort, in die Luft gesprengt, und Dachsparren, Steine und Ziegel fielen auf ihn herab. Es schien fast, als würden sie aus den Wolken fallen, die er herbeigerufen hatte. Er wehrte sich, er war ein Meister der Schule des Lebendigen Odems, so leicht gab er nicht auf. Aber sein Kopf dröhnte, der Kampf hatte ihn erschöpft, das Gefühl, vor Kraft zu bersten, hatte ihn getrogen. Er war verwundet, und der Zauber, mit dem er die Trümmer, die auf ihn hinabregneten, aufhalten wollte, misslang kläglich. Er spürte Stein, Schutt und Schiefer auf seinen alten Leib prasseln, spürte, dass sie ihm Knochen zerschmetterten und Sehnen zerrissen. Er konnte nichts mehr hören, aber er sah, dass Rahis Almisan sich erhob und die Kammer, oder das, was von ihr übrig war, betrat. Der Mann machte sich nicht einmal die Mühe, sich noch hinter einem Schatten zu verstecken. Quent versuchte, sich zu erheben, aber dann sah er den grotesk großen Berg von Trümmern, der seinen Unterleib verschlungen hatte, und er gab auf. War das also das Ende? Der Schmerz schien ihn zerreißen zu wollen. Er blickte noch einmal in den Himmel. Schnee fiel aus den dichten Wolken, die er herbeigerufen hatte. Er schloss die Augen und lächelte über seine eigene Dummheit. Aber einen Zauber hatte er noch. Er war Nestur Quent, Meister des neunten Ranges der Schule des Lebendigen Odems. Es gab noch eines, was er tun konnte.
    Rahis Almisan hinkte in die Kammer. Er blutete aus mehreren kleinen Wunden, doch er spürte, dass ihn keine davon umbringen würde. Die Wände waren geborsten, die Decke über ihm verschwunden, und vom Dach waren nur noch die Trümmer übrig, die Nestur Quent unter sich begraben hatten. Almisan blickte auf. Schnee fiel in dichten Schauern aus einem schwer verhangenen Himmel. Hatte nicht eben noch eine wärmende Sonne dort oben an einem wolkenlosen Herbsthimmel gestanden? Er war beeindruckt. Nestur Quent war wirklich ein Meister seines Fachs. Das Schneegestöber fuhr durch die zerstörte Kammer und verwehte Pergamente und das Laub, das der alte Mann wohl für einen Zauber gebraucht hatte. Almisan betrachtete den Mann, der zu seinen Füßen lag. War er schon tot? Nein, er lächelte auf eine entrückte Art.
    Almisan spuckte Blut. Vielleicht hätte er den Erfolg bejubeln sollen, aber ihm war nicht danach zumute. Er fühlte sich um seinen Sieg betrogen. Sie hatten Quent nicht durch die Kunst der Schatten, nicht durch Magie oder eine ehrliche Klinge, sondern durch Schießpulver besiegt. Das kam ihm falsch vor. Der Alte stöhnte plötzlich auf und bewegte sich. Der Rahis zog sein Messer und beugte sich über den Zauberer, der halb unter dem Schutt begraben war. Quent lächelte und murmelte leise Worte, die Almisan nicht verstand. Ob er noch einen Zauber wirken wollte? Der Rahis blickte dem Sterbenden nachdenklich ins Antlitz. Angst suchte er dort vergeblich, es war eher eine gewisse Heiterkeit.

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