Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
stöhnte und krümmte sich vor Schmerz. Es war der Hauptmann aus der Schänke, unschwer an dem Arm in der Schlinge und dem Verband zu erkennen.
» Der Schatten!«, flüsterte er heiser und versuchte, sein Schwert mit der Linken zu ziehen.
Zorn loderte in Sahif auf. Dies war der Mann, der Ela geschlagen hatte, dies war der Mann, der sie in das finstere Verlies geschickt hatte. Er packte ihn an der Kehle. Der Hauptmann ließ mit einem erstickten Gurgeln die Waffe fallen. Er fiel zu Boden, entwand sich dabei Sahifs Griff und begann, rückwärts davonzukriechen, bis die Wand ihn aufhielt. Sahif hob das Schwert auf und biss sich auf die Lippen. Es würde nur ein paar Sekunden dauern, diesem Kerl den Kopf vom Hals zu trennen, und ein Teil von ihm verlangte sehr danach. Er holte aus – aber nein, er wollte keinen wehrlosen Mann töten. Doch der Zorn war stark, und so rammte Sahif dem Hauptmann mit einem Schrei der Wut das Schwert durch die verwundete Schulter und nagelte ihn so an der Wand fest. Fals heulte laut auf. Sahif rannte weiter.
» Der Schatten! Hierher Männer, hierher! So helft mir doch!«, hörte er den Hauptmann rufen. Als er um die nächste Ecke bog, blickte er in die erschrockenen Gesichter zweier Soldaten, die ihm entgegenkamen. Sie waren offenbar dem Ruf gefolgt, aber sie wichen ängstlich zurück, als Sahif seine Waffe hob. Wenn die wüssten, dachte er grimmig.
Plötzlich löste sich eine große Gestalt aus dem Schatten, und ehe Sahif etwas sagen konnte, lag der erste Soldat schon mit durchschnittener Kehle am Boden. Der andere sah es mit Entsetzen, er hob seine Hellebarde zur Abwehr, aber Rahis Almisan wich der plumpen Waffe leicht aus, griff sie mit der Linken kurz hinter der Klinge und zog den Soldaten mit einem Ruck nach vorne. Der Mann ließ nicht los und bezahlte diesen Fehler mit dem Leben. Er sackte zu Boden, ohne auch nur einen Schrei von sich zu geben. Almisan wischte seine Klinge am Waffenrock des Gefallenen ab. Er verriet mit keiner Miene, was in ihm vorging. Er sagte: » Für einen Schatten machst du erstaunlich viel Lärm, Bruder.«
Sahif fasste Marberics Schwert fester. Angeblich war es unzerbrechlich, aber er fragte sich, ob ihm das jetzt etwas nutzen würde.
» Schönes Messer«, spottete Almisan. Er stand scheinbar ganz entspannt zwischen den beiden Toten in der Mitte des Flurs, aber Sahif bemerkte, dass er verwundet war. Blut sickerte durch einen notdürftigen Verband an seinem Bein, und an seinem Oberarm war ein weiterer Verband. Sahif sprang nach vorn und stieß zu.
Das also ist der Herzog von Atgath?, dachte Shahila und betrachtete den Mann, der ihr gegenüber am Tisch saß und sie traurig ansah. Und traurig war alles an ihm, seine schweren Augenlider, sein müdes Gesicht, sein wirres Haar, seine gebeugte Haltung.
» Aber warum sagt mir denn niemand, was geschehen ist?«, fragte er wieder. » Ostig! Ostig!«
» Euer Diener ist auf dem Flur und versucht zu erfahren, was der Lärm zu bedeuten hat, Hoheit«, sagte Shahila. Ihre Hände zitterten. Das fand sie seltsam. Sie war so weit gegangen, hatte so viel erreicht und getan, und nun zitterten ihre Hände und hörten einfach nicht auf. Sie verbarg sie im Schoß und hoffte, dass der Herzog das Blut daran nicht bemerkte. Ostig war tatsächlich draußen vor der großen Kammer, nur, dass er niemanden mehr etwas fragen konnte. Dieser alte Narr hatte sie nicht einlassen wollen. Habe ich ihn wirklich getötet?, fragte sie sich. Es kam ihr unwirklich vor, denn noch nie hatte sie so etwas mit eigener Hand getan. Doch im Augenblick fand sie alles in Atgath unwirklich: Die düstere Burg, die bei der Explosion zersprungenen Fensterscheiben des herzoglichen Gemachs, die Kälte, die mit dem Schnee in das Gemach eindrang, die alten magischen Zeichen an den vier Säulen, die einst den Thronsaal geschützt hatten – vor allem aber Hado III ., der Herzog selbst, war ganz und gar unwirklich. Wie schwach und armselig er doch war!
» Wo ist Quent?«, fragte er jetzt. » Und wieso schneit es?«
» Meister Quent ist beschäftigt, Hoheit«, sagte Shahila. » Er schickt mich, um Euch zu holen.«
» Euch? Aber ich kenne Euch nicht!«
» Ich bin Shahila, die Gattin Eures Bruders Beleran, Hoheit.« Sie musste nur dafür sorgen, dass er diese Kammer verließ, das konnte doch nicht so schwer sein!
» Beleran? Ist der etwa auch hier?«, fragte der Herzog, und auch der Gedanke an seinen Bruder schien ihn zu bekümmern. » Was will er? Versteckt er sich
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