Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Ein würdiger Tod, dachte er, hob seine Klinge und bohrte sie dem Zauberer ins Herz. Quent seufzte, sein Blick ging ins Weite, brach, und dann war es vorbei. Almisan erhob sich wieder. » Es ist erledigt«, sagte er. » Ich gratuliere Euch zu Eurem Sieg, Meister Hamoch.«
Die Wand vor der Treppe war eingestürzt. Zwei Homunkuli lagen dort mit grotesk verrenkten Gliedern. Sie waren tot. Einem war der Leib aufgeplatzt, und schwarzes Blut kroch über die Stufen. Aber Hamoch und seine Dienerin hatten überlebt. Der Zauberer kauerte noch ängstlich auf dem Boden, erst jetzt stand er auf, strich sich Staub und Schnee aus dem Gewand und betrat zitternd die Kammer. Er starrte auf den Leib seines Meisters. Dann schüttelte er sich, und in seinen Augen erschien plötzlich eine fiebrige Gier. » Esara, schnell, wir müssen ihn ins Laboratorium schaffen. Er war ein Magier. Wir hatten noch nie einen Magier für unsere Versuche.«
» Ja, Herr«, murmelte die Frau und hustete. Die drei Homunkuli, die überlebt hatten, standen in der Tür und starrten ausdruckslos auf das Chaos.
Almisan nickte. Der Mann schien alles andere vergessen zu haben. Wenigstens denkt er praktisch, dachte er, wischte seinen Dolch an Quents Gewand ab und steckte ihn ein.
» Könntet Ihr mir mit diesen Sparren helfen, Rahis?«, fragte Hamoch.
Aber Almisan schüttelte den Kopf. » Das hier überlasse ich Euch, ich habe noch etwas anderes zu erledigen.«
Sie waren auf dem Markt, als sich die Dinge plötzlich veränderten. Faran Ured hatte zunächst keinen Blick dafür, denn er war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Man wollte ihn in den Kerker schaffen, in die Burg. Das hatte sein Gutes, denn dann wäre er am Ort des Geschehens, und Mauern oder Gitter waren für ihn eigentlich kein Hindernis. Es würde ihn auch in die Nähe der Schatzkammer bringen, und das war ebenfalls etwas, was er zu schätzen wusste. Nur, dass es dafür eigentlich zu früh war. Er hatte keine Ahnung, wie weit die Pläne der Baronin gediehen waren, und wenn er jetzt Nestur Quent gegenübergestellt wurde, konnte das alles über den Haufen werfen. Er musste Zeit gewinnen, also hinkte er stark, um ihren Marsch zu verlangsamen.
Und dann schlug das Wetter um. Es wurde so schneidend kalt, dass die Menschen auf dem Markt erst einander und dann den Himmel verblüfft anschauten. War es nicht eben noch ein strahlend schöner Herbsttag gewesen, frisch zwar, doch keineswegs winterlich? Aufgeregte Rufe lenkten die Aufmerksamkeit auf die Burg, über der sich Wolken zusammenballten, Wolken, die schnell wuchsen, bald die Berge verschluckten und schließlich den ganzen Himmel bedeckten. Dann begann es zu schneien. Kein leichter Schauer oder ein paar verfrühte Flocken, nein, es schneite wie im tiefsten Winter, und dazu wehte ein eisiger Wind. Ein lauter Donnerschlag von der Burg ließ die Menschen verstummen. Die Wolken verwirbelten sich, und dann ging Hagel über dem Marktplatz nieder. Ured duckte sich unwillkürlich. Er sah den Hagel über das Pflaster springen und bemerkte, dass er grau war. » Das ist Stein«, flüsterte Teis Aggi neben ihm. Ured betrachtete die tanzenden Bröckchen und sah, dass der Leutnant Recht hatte. Dicht neben ihm schlug etwas weit Größeres hart auf dem Pflaster auf, Bruchstücke eines Dachträgers. Jemand schrie, und dann prasselten Holzsplitter, halbe Dachziegel und große Gesteinsbrocken über dem Markt nieder. Die Menschen rannten davon oder warfen sich zu Boden. Ured sprang unter einen Marktstand. War das vielleicht eine Gelegenheit zu entkommen? Er sah sich um und blickte in das grimmige Gesicht des Bergkriegers. » Keinen Schritt weiter, Zauberer«, knurrte dieser und hielt ihm die Speerspitze an die Kehle.
Das Chaos war unbeschreiblich, und Shahila genoss es, erfüllt von einer kalten Klarheit. Völlig kopflos rannten Diener hin und her oder standen wie erstarrt. Die einen brüllten, man werde angegriffen, die anderen glaubten, die Pulverkammer sei explodiert. Draußen tobte ein Schneesturm, und dann regneten kleine und große Stücke des Turms auf die Burg hinab. Viele Butzenscheiben waren zersprungen, und jemand rief: » Der Ostturm, Quents Turm ist fort!«
Shahila fand in dem ganzen Chaos niemanden, wirklich niemanden, der zu wissen schien, was nun zu tun war. Sie sah es mit leichtem Erstaunen und viel Verachtung. Wie die Schafe rennen sie durcheinander, dachte sie, kopflos, weil ihr Oberhaupt nun tot ist. Sie hielt einen der herumirrenden Diener an.
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