Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
ausdrückte. Es war allgemein bekannt, dass sich ihr Vater immer öfter bis zur Besinnungslosigkeit betrank, und Ela schämte sich schrecklich dafür. Sie beschloss, ihrerseits nicht ganz so rücksichtsvoll zu sein: » Ihr wisst doch, in welchem Zustand er ist, wenn er den Blauen Ochsen verlässt. Er schläft, wenn er nach Hause kommt, und es ist ein Glück, dass der alte Haam, unser Pferd, den Weg zum Stall so gut kennt. Jetzt ist er mit meinen Brüdern unterwegs, um nach den Meilern zu sehen. Aber sagt, wer ist dieser Tote, den Ihr gefunden habt?«
» Verwalter Ludgar.«
» Ich kenne diesen Namen. Der Mann war früher Schreiber beim Gericht, oder? Ihr versteht vielleicht, dass ich keine gute Meinung von ihm habe. Ich kann Euch aber sagen, dass er ganz sicher nicht zu den Männern gehört, mit denen mein Vater trinken würde.«
» Ihr gebt also zu, dass Euer Vater ihn gehasst hat«, meinte einer der Soldaten, ein älterer, vierschrötiger Kerl, als der Leutnant betreten zu Boden schaute.
» Es gibt Männer, die hasst er zweifellos mehr«, gab Ela zornig zurück. Gleich danach hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen. War sie etwa dabei, ihren Vater zum Verdächtigen zu machen?
» Auf jeden Fall sollten wir uns da drin mal umsehen«, meinte der Soldat, und Leutnant Aggi nickte zögernd.
Ela versuchte nicht, sie daran zu hindern, und sie sah mit zusammengekniffenen Lippen zu, wie die Soldaten in der kleinen Hütte Hocker umwarfen und sogar unter den Matratzen nachschauten. Leutnant Aggi hinderte sie daran, die Strohmatten mit dem Messer aufzuschlitzen, aber er konnte nicht verhindern, dass zwei ihrer fünf irdenen Teller zu Bruch gingen. Ela schwieg dazu, aber der Leutnant fuhr seine Männer scharf an und schickte sie dann in den Stall, um dort nachzusehen. Offenbar wollte er die Gelegenheit nutzen, um ungestört ein paar Worte mit ihr zu wechseln.
» Es tut mir leid, und ich hoffe, Ihr zieht keine falschen Schlüsse daraus, dass ich hier meine Pflicht erfülle, Ela Grams.«
» Ich ziehe die Schlüsse, die ich ziehen muss, Teis Aggi, und ich erwarte nicht viel von einem Mann, der immer tun wird, was ein Schwachkopf von Hauptmann ihm befiehlt oder was seine Mutter ihn heißt.«
Er wurde rot. » Ich hoffe, Ihr denkt nicht wirklich so von mir«, sagte er verlegen. » Meine Absichten Euch gegenüber sind aufrichtig und …«
» Und es sind nicht mehr als Absichten, da Euch zu mannhafter Tat doch einiges an Mut zu fehlen scheint, Herr Leutnant. Weiß denn Eure Mutter, dass Ihr hier seid, bei dem armen Köhlermädchen, der Tochter eines Säufers, wie sie auf dem Markt zu sagen pflegt?«
» Bitte, meine Mutter hat doch nichts mit dieser Sache zu tun«, erwiderte der Leutnant verdrossen.
» Glaubt Ihr denn wirklich, eine Frau mit einem Rest Stolz würde Euch in ein Heim folgen, in dem der Herr des Hauses am Rockzipfel seiner Mutter hängt? Ich werde es gewiss nicht tun, Herr Leutnant, und ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr das endlich begreifen würdet. Und jetzt tut mir den Gefallen und seht Euren Leuten auf die Finger, bevor sie noch ernsthaften Schaden anrichten.«
Mit hochrotem Kopf folgte Aggi seinen Männern zunächst in den Stall, dann in die Vorratskammer. Ela blieb in der Hütte und lauschte dem rauen Gelächter der Soldaten. Sie war ungerecht zu Teis Aggi gewesen, das wusste sie. Er war unter den Männern, die ihr den Hof machten, noch der Angenehmste, aber er war zur Wache gegangen, und das war noch schlimmer als das, was sie über seine Mutter gesagt hatte. Sie hörte draußen etwas zerbrechen. Ihr Vater war bei den Soldaten, zumal den älteren, ziemlich unbeliebt, und sie wusste, dass sie es genossen, ihm zu schaden. Sie hörte einen Krug zersplittern, dazu ein gehässiges Lachen, und dann die Stimme des Leutnants, der sich immerhin bemühte, seine Leute im Zaum zu halten. Seine Männer marschierten schließlich ab, und Aggi kam noch einmal allein zur Hütte zurück. Er wirkte verlegen und sagte zum Schluss: » Der Branntweinvorrat Eures Vaters … es tut mir leid. Wenn Ihr eine Liste jener Dinge erstellt, die heute beschädigt wurden, dann werde ich dafür sorgen, dass unser Zahlmeister sie ersetzt.«
» Ich glaube nicht, dass mein Vater von irgendjemandem aus der Burg Geld annehmen wird.«
Der Leutnant nickte düster. » Ich kann nicht mehr tun, als es anzubieten, aber ich hoffe, dass Ihr mich, der ich erst viel später zur Wache kam, nicht für das verantwortlich macht, was damals
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