Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
der Schwelle Halt zu machen. Und das wäre nicht in unserem Sinne, oder? Obwohl, vielleicht könnten wir ihm sein Geheimnis auch entreißen, wenn er schon tot ist, aber nein, wenn das Wort magisch ist, geht es auf der Reise verloren. Aber ich sehe schon, du verstehst es nicht.«
» Also, wann, Herr?«, fragte die Frau.
» Irgendwann in dieser Nacht wird er die Schwelle erreichen. Und im Morgengrauen ist er schon auf der anderen Seite. Ich glaube, er wird einen guten Sklaven abgeben.«
Die Abenddämmerung legte sich auf die Wellen, und Hadogan war endlich eingeschlafen. Gajan legte ein Stück Plane unter seinen Kopf und ging leise zu Kumar, der im Bug saß und Ausschau hielt. » Seht Ihr, Prinz? Sie sehen fast aus wie tief stehende Wolken, aber es sind Berge. Wir sind bald an der Küste.«
» Ich weiß. Und deshalb muss ich mit dir reden, Kumar.« Gajan setzte sich neben den Rudersklaven und blickte verstohlen nach dem Alten, der immer noch das Ruder führte und offenbar düsteren Gedanken nachhing.
» Ich glaube, Hadogan hat ihm alles erzählt.«
» Dem Alten? Wie kommt Ihr darauf?«, fragte Kumar und blickte zu dem schlafenden Knaben. Gajan sah Wohlwollen in diesem Blick. Die beiden waren sich sehr nahe gekommen. Er senkte die Stimme. » Sieh doch, wie misstrauisch er dreinschaut. Er weiß Bescheid, und die Geschichte, die du ihm erzählt hast, hat er ohnehin nicht geglaubt. Nein, er weiß Bescheid. Und was ihm Hadogan nicht erzählt hat, hat er sich zusammengereimt. Er ist nicht dumm, dieser alte Hexer.«
Kumar nickte nachdenklich. » Und wenn schon«, erwiderte er dann. » Er bringt uns an Land. Alles andere ist mir gleich.«
» Begreifst du denn nicht, was das heißt? Was glaubst du wohl, wird man über einen Prinzen von Atgath sagen, der Leute in den Tod schickt, um sich selbst zu retten?«
» Und seinen Sohn vor allem. Die Leute werden es verstehen. Wenn sie es denn je erfahren sollten.«
» Natürlich werden sie es erfahren! Der Alte wird kaum etwas Besseres zu tun haben, als diese Geschichte zu erzählen. Und sie werden ihm zuhören, ihm an den Lippen hängen, es weitererzählen, verzerren und am Ende bin ich ein Ungeheuer, das bei einem Schiffsunglück über Leichen geht. Nein, Kumar, das darf nicht geschehen.«
» Bestecht ihn, Prinz.«
» Was?«
» Bietet ihm Geld für sein Schweigen. Er ist arm, seht nur sein geflicktes Hemd, sein kleines Boot. Er wird Euer Silber mit Freuden annehmen.«
» Mein Silber? Ich habe kein Silber bei mir, oder glaubst du, ich hätte es die ganze Zeit irgendwo versteckt?«
» Dann gebt es ihm später. Er wird darauf warten, wenn Ihr ihm Euer Wort gebt.«
» Und wenn nicht? Nein, Kumar. Es gibt nur eine sichere Möglichkeit, und das weißt du.«
Der dunkelhäutige Mann sah Gajan lange an, aber Gajan hielt seinem Blick stand. » Ich werde es nicht tun«, verkündete Kumar sehr ruhig.
» Er wird auch über dich seine Lügen verbreiten.«
» Über einen ehemaligen Sklaven?« Kumar lachte leise. » Wen sollte das kümmern? Nein. Dieser alte Heiler mag meinetwegen erzählen, was er will. Ich weiß, was ich getan habe, und ich kann alles rechtfertigen. Und Ihr könntet es ebenfalls.«
» Gib mir den Dolch«, zischte Gajan.
» Ihr solltet das nicht tun, Prinz. Hört, Ihr seid doch ein Fürst. Ich kenne die Gesetze Eures Landes nicht, aber ich weiß, dass die Fürsten überall auf der Welt meist über dem Gesetz stehen. Was sollte Euch also geschehen?«
» Kumar, dieser alte Hexer ist eine Gefahr, für mich, für Hadogan. Ich habe viel erreicht in meinem Leben, und im Seerat habe ich mir viel Achtung erworben, Achtung, aber auch Feinde, die nur darauf warten, mich zu vernichten. Wer weiß, vielleicht waren es diese Männer, die unser Schiff versenkt haben? Soll ich also zulassen, dass sie am Ende doch triumphieren? Nein!« Gajan hielt inne. Warum war er nicht schon vorher darauf gekommen? Natürlich, seine Feinde hatten sein Schiff versenkt, hatten so viele Menschen getötet, nur um ihn zu vernichten! Sie würden nicht ruhen, bis sie es geschafft hatten. Und dieser Fischer – sollte er wirklich glauben, dass er nur zufällig dort erschienen war? » Gib mir den Dolch, Kumar!«
» Beruhigt Euch und denkt nach, Prinz. Es ist die Anstrengung, sie war vielleicht zu viel für Euch. Ja, es mag sein, dass der Alte etwas erzählt, und ja, vielleicht schadet es sogar Eurem Ruf, aber was wird Euer Sohn von Euch denken, wenn Ihr dem Mann, der unsere Leben gerettet hat, sein
Weitere Kostenlose Bücher