Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
mir ohnehin nicht«, stieß Sahif leise hervor und schlich einfach weiter.
Ela blieb wie vor den Kopf gestoßen zurück. Sie sah ihn um die Ecke schleichen, verfluchte ihn mit Worten, die sie sonst nie verwendete, und schlich ihm endlich doch hinterher. Sahif hatte sich nach links gewandt und folgte der Mauer zum nächsten Gebäude, einem weißen, hohen Kasten mit schmalen Fenstern. Ela blickte in den trüben, rötlich grauen Himmel. Wenn die Sonne schiene, gäbe es hier wenigstens Schatten, in denen man sich verstecken könnte, dachte sie und lief Sahif hinterher.
Das Tor schloss sich. Ela fuhr herum. Es war niemand dort, das Tor ging wie von Zauberhand zu. Dann erschienen die Wächter im Hof. Sie kamen aus den Häusern. Sie waren nur zu dritt, und Ela schöpfte Hoffnung, denn sie hatte auf der Brücke gesehen, wie Sahif kämpfte. Die Wächter schienen es nicht sehr eilig zu haben, sie zogen auch ihre Waffen nicht. Jetzt war sie doch wieder beunruhigt. Sahif zog seinen Dolch. Die Wächter kreisten ihn ein. Er sprang, aber sogar aus der Entfernung sah Ela, dass er verunsichert war. Er stach zu, traf seinen Gegner in die Brust, genau dorthin, wo das Herz schlagen sollte, und sprang zurück. Der Mann fiel nicht. Sahif stieß einen Fluch aus und hob seinen Arm für den zweiten Angriff. Einer der anderen Wächter stürzte sich jetzt von hinten auf Sahif, und Ela schrie auf, um ihn zu warnen. Er wirbelte herum, zog dem Angreifer seine Klinge durch die Kehle, und sie sah seine Verblüffung, weil dieser Mann ebenso wenig fiel wie der andere. Dann packten sie ihn, und einer schlug ihm hart in den Magen. Sahif krümmte sich zusammen, und Ela sah fassungslos zu.
» He«, sagte eine leise Stimme hinter ihr.
Sie fuhr herum und sah in das hagere Gesicht einer jungen Frau, das so hart wirkte, dass man es auch leicht mit dem eines Jungen verwechseln konnte. » Was …«, begann Ela, aber dann krachte etwas gegen ihre Schläfe, und es wurde dunkel um sie.
Als sie die Augen wieder öffnete, fand sie sich auf faulig riechendem Stroh wieder. Sie setzte sich auf. Ein Käfig. Sie war in einer Art Käfig gefangen. Fackeln brannten an den Wänden und erleuchteten einen weitläufigen Kerker. Ela wäre es lieber gewesen, sie hätte nicht sehen müssen, was sie sah: Da hingen menschliche Überreste an den Wänden, die meisten davon schon Skelette in verrotteter Kleidung, aber es gab daneben auch Leichen, die noch nicht völlig verwest waren. Ela wurde schlecht von dem schweren, süßlichen Geruch, den sie verströmten.
» Gefällt dir der Anblick nicht?«, fragte eine Stimme.
Sie gehörte der jungen Frau mit dem harten Gesicht, die sie niedergeschlagen hatte. Sie saß auf der Schwelle dieses großen Raumes.
» Was ist das hier?«, fragte Ela flüsternd.
» Dein neues Zuhause, würde ich sagen«, meinte die junge Frau. » Hier bringt er die unter, die seine besondere Aufmerksamkeit erhalten. Du könntest dich also geschmeichelt fühlen. In ein paar Wochen oder vielleicht auch Monaten wirst auch du vermutlich irgendwo da an der Wand hängen.«
» Aber warum? Wer?«, stammelte Ela entsetzt.
» Du bist zu Gast bei Marghul Udaru, dem Herrn dieser Stadt. Er versucht etwas herauszufinden, schon seit Jahren. Ich kann dir nicht genau sagen, was es ist, ich weiß nur, dass er Frauen für diese Versuche braucht, junge Frauen wie dich. Aber ich nehme an, er wird später zu dir kommen und dir genauer erklären, was er vorhat, denn er redet recht gern, wo er doch so selten lebenden Besuch hat. Nun, vielleicht erklärt er es dir auch nicht. Er ist manchmal etwas eigen.« Die Frau grinste breit. Ihr schien Elas Verzweiflung wirklich zu gefallen.
Ela rüttelte an den Gitterstäben. Sie rührten sich nicht.
» Du hast noch ein wenig Zeit, bevor es losgeht, wenn dich das tröstet, denn der Marghul will sich zunächst mit deinem Freund beschäftigen.«
» Sahif!«
» Du bist in ihn verliebt, oder?«
Ela stutzte. » Was geht dich das an … Wo ist Sahif? Was hat er mit ihm vor? Lass mich hier heraus! Ich sage dir, wenn Sahif etwas zustößt, dann …«
» Dann kannst du nichts dagegen unternehmen, dummes Weib. Der Marghul führt ihn an die Schwelle des Todes – und später noch einen Schritt weiter. Finde dich damit ab. Du kannst dir aber schon eine Stelle aussuchen, an der du später hier unten hängen willst.« Sie lachte ein wenig zu schrill über ihren eigenen geschmacklosen Scherz und sprang von ihrem Platz auf. » Ich würde sagen, es hat
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