Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
wollen, dass sie keineswegs so verzweifelt war, wie er dachte. Sie ging davon aus, dass ihr das gelungen war. » Würde es Eure Fassung möglicherweise etwas mehr erschüttern, wenn Ihr erfahren müsstet, dass diese Stadt unter dem Schutz meines Vaters steht?«, fragte sie.
Der Gesandte runzelte die Stirn, dann lächelte auch er. » Ich hatte diesbezüglich eine sehr aufschlussreiche Unterhaltung mit Orus Lanat, dem Botschafter Eures Vaters. Er versicherte mir, dass der Große Skorpion sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Seebundes einmischen wird.«
Shahila seufzte. » Zieht bitte die Möglichkeit in Betracht, dass mein Vater diese Stadt nicht mehr als Teil dieses Bundes betrachtet. Er hat mir seinen Schutz angeboten. Ja, ich weiß, was Ihr sagen wollt. Natürlich wäre das ein glatter Bruch aller Verträge, die Atgath je mit dem Seebund geschlossen hat, aber glaubt Ihr, darauf käme es mir noch an?«
Der Gesandte runzelte die Stirn. » Ich weiß, wie Ihr zu Eurem Vater steht, Baronin, denn der Seebund hat auch Ohren im Palast von Elagir. Und ich weiß, wie der Padischah seine bedauernswerten Verbündeten zu behandeln pflegt. Und da Ihr das ebenfalls wisst, kann ich mir nicht vorstellen, dass Ihr Euch darauf einlassen würdet.«
Shahila deutete eine Verneigung an. » Ihr seid gut informiert und klug, Graf Gidus, und Ihr habt vollkommen Recht – nur ein Narr würde ein Hilfsangebot meines geschätzten Vaters annehmen. Genau deshalb habe ich es natürlich auch abgelehnt, aber … bedauerlicherweise betont Botschafter Lanat, dass es dennoch gilt.«
» Wie? Ich verstehe nicht.«
» Durchschaut Ihr es immer noch nicht? Mein Vater will, dass Eure Kanonen auf meine Stadt schießen. Er will, dass Ihr einen Krieg gegen mich beginnt, damit er zu meinem Schutz herbeieilen kann. Es ist gut möglich, dass er zu spät erscheint und nur noch die rauchenden Trümmer dieser Stadt vorfindet, aber könnt Ihr Euch einen besseren Kriegsgrund vorstellen? Und glaubt Ihr, dass die Städte des Seebundes und vor allem seine anderen Verbündeten fest an der Seite von Frialis stehen, wenn es gegen Oramar geht – und Oramar diesen Krieg nicht begonnen hat?«
» Augenblick«, meinte Gidus. » Also Ihr sagt, dass diese Stadt unter dem Schutz des Padischahs steht, obwohl Ihr das gar nicht wolltet? Und der Botschafter leugnet dieses Bündnis?«
» Natürlich. Wenn es bekannt wäre, würde es Euch doch vielleicht daran hindern, hier voreilig einen Krieg vom Zaun zu brechen. Aber genau das ist es, was mein Vater will.«
Der Gesandte starrte sie lange und nachdenklich an. » Das ist verrückt«, sagte er schließlich und fügte hinzu: » Und vermutlich glaube ich Euch genau aus diesem Grund. Es ist ein hinterhältiger Plan, ich würde sagen, er macht dem Ruf Eurer Familie alle Ehre, Baronin.«
» Danke«, sagte Shahila lächelnd. Sie gönnte dem Gesandten die kleine Bosheit. Er hatte schließlich einiges zu verdauen.
» Wir werden das überdenken. Vielleicht werden unsere Geschütze heute doch noch nicht das Feuer eröffnen«, sagte Gidus langsam.
» Das würde ich sehr begrüßen. Ich bin übrigens bereit, die Vorräte der Stadt mit Euch zu teilen, Graf Gidus.«
Der Gesandte lächelte. » Damit würde ich anerkennen, dass Ihr die Herrschaft über diese Stadt mit Recht ausübt, Baronin. Nein, ich fürchte, unsere Männer müssen mit dem auskommen, was sie mitgebracht haben. Wir werden heute nicht angreifen, aber dennoch erkennen wir Beleran weiterhin nicht als Nachfolger Hados an. Und immer noch müssen wir darauf bestehen, dass Ihr Euch vor dem Gericht in Frialis und vor dem Seerat verantwortet.«
» Solange Ihr diesen Standpunkt nicht mit Waffengewalt durchsetzen wollt, kann ich damit leben, Gidus. Früher oder später werdet Ihr das Unabänderliche anerkennen müssen.« Shahila lächelte und dachte dennoch an Gajan, der nicht tot, sondern nur verschollen war, sie dachte an Jamade, die vielleicht gar nicht in der Lage war, Sahif das magische Wort zu entlocken, und sie dachte an Hamoch, der tief unter der Burg Kisbara eine Falle stellte, die diese Hexe vermutlich längst gewittert hatte. Sie lächelte und wusste dennoch, dass sie sich nur ein wenig Zeit erkauft hatte. Dieses Heer vor ihrer Tür schien ihr auf einmal die geringste ihrer Sorgen zu sein.
Der Gesandte erhob sich und schüttelte den Kopf. » Also beginnen wir heute keinen Krieg, nicht wahr? Wisst Ihr, wenn Hasfal nicht eingesperrt wäre, würden ihn vermutlich
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