Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
rief Kisbara. » Dein Leib wartet auf dich! Nimm ihn in Besitz! Erhebe dich, Hado, erhebe dich!« Etwas geschah mit der Leiche. Sie bewegte sich zwar nicht, aber sie gab ein schmatzendes Geräusch von sich. Fasziniert und voller Grauen sah Hamoch, wie das Öl aus den Poren zu fließen schien und schwer wie Honig über den kalten Leib strömte. Es geschah – es geschah wirklich! Der Geist ergriff Besitz von diesem Körper. Doch wessen Geist war es? War es Hado, den sie zwingen wollten, das Wort zu verraten, oder war es Quent? Hamoch hörte ein Ächzen und wusste, dass es von ihm selbst kam. Auch dem Leichnam entwich ein Stöhnen. Er öffnete die Augen. Sie waren leer, nur erfüllt von einem bleichen Licht.
» Ich grüße dich, ehrwürdiger Verblichener«, krächzte Kisbara. » Du hast einen weiten Weg hinter dir, und wir schulden dir Dank. Wir werden ihn dir bezeugen, wenn du uns unsere Fragen beantwortet hast.«
Der Leichnam stöhnte wieder und begann, die Finger zu bewegen. Ein grässliches Zucken lief durch die toten Muskeln, und ruckartig setzte Hado sich auf. Seine bleich leuchtenden Augen schienen die Katakombe abzusuchen. » Ich bin hier, Geist. Ich bin Kisbe Kisbara, ich habe dich gerufen – du bist mein!« Sie hielt ihren Stab auf den Öl ausschwitzenden Leib gerichtet, bemühte sich um Haltung, aber sie zitterte vor Anstrengung, und ihre Stimme war schwach. Ihr Gesicht schien um Jahrzehnte gealtert. Der Leichnam stöhnte wieder und streckte ihr seine Hand entgegen. » Frag«, hauchte er.
Hamoch war entsetzt. Es war Hado! Es war der Herzog, der zurückgekehrt war, nicht Quent.
» Das Wort, Hado. Die Mahre haben dir durch deine Vorfahren ein Wort anvertraut – sag es uns.«
» Das Wort«, flüsterte der Leib, und seine Augen schienen heller zu leuchten. » Komm näher, Hexe«, wisperte er.
Kisbara wirkte verunsichert, folgte dieser Aufforderung aber. Hados Leib erhob sich ruckartig, und er wäre fast gestürzt, wenn die Nekromantin ihn nicht gestützt hätte. Sein Gewicht schien schwer auf ihr zu lasten. » Hamoch, so helft doch«, zischte sie.
Bahut Hamoch zögerte. Etwas stimmte nicht. Der Herzog hatte sie eine Hexe genannt. Einen Augenblick schien der Körper nach seinem Gleichgewicht zu suchen, doch plötzlich veränderte sich alles an ihm. Seine Augen flammten in blauem Feuer auf, und seine Hand schoss vor und krallte sich in die Kehle der Totenbeschwörerin. Kisbara schrie auf und versuchte mit beiden Händen seine Finger von ihrem Hals zu lösen. » Hamoch!«, keuchte sie. Doch Bahut Hamoch stand wie erstarrt und sah nur zu, wie der balsamierte Leichnam den Knochenstab, der auf die Bahre gefallen war, aufhob und ihn mit einem unirdischen, tiefen Grollen in Kisbaras Brust rammte, so fest, dass er auf der anderen Seite wieder hervortrat. Dann ließ er ihre Kehle los und sah ihr mit regungsloser Miene zu, wie sie wimmernd durch die Katakombe taumelte, sich krümmte und schließlich, vom eigenen Stab durchbohrt, zu Boden fiel.
» Nun zu Euch, Hamoch«, sagte Quents Geist und wandte sich seinem ehemaligen Schüler zu.
Bahut Hamoch wich zurück. Die Knie wurden ihm weich, und lähmendes Entsetzen überkam ihn. » Ihr habt mich verraten, Hamoch«, sagte der Geist und trat einen weiteren Schritt auf ihn zu. Der Zauberer wich zurück, warf Kerzen und Gläser um. Esara schrie laut auf, Esara, die sich im Hintergrund verborgen gehalten hatte. Quent beachtete sie nicht. Er verfolgte Hamoch. Doch nun schleuderte Esara eine brennende Lampe auf den einbalsamierten Leib. Die Lampe zerbarst, das brennende Öl ergoss sich über den Körper, vermischte sich mit den Essenzen, mit denen der Leichnam einbalsamiert worden war, und binnen eines Augenblicks stand der ganze Leib in Flammen. Quents Geist brüllte vor Wut. Er drehte sich um, stolperte brüllend auf Esara zu. Sie floh, er folgte ihr, stieß Tische und Bänke um, zerstörte, was ihm im Weg war, und kam doch nur bis zur Mitte des Laboratoriums. Dann ging er in die Knie, fiel zu Boden und verbrannte binnen weniger Sekunden in einem Feuer so hell, wie Hamoch noch keines gesehen hatte. Es erlosch fast so schnell, wie es entflammt war, und von Hados Leib war nur noch ein schmieriger Fleck Asche übrig.
Schwerer Qualm hing in der Luft, Hamoch hustete, aber langsam wich die lähmende Angst aus seinen Gliedern. Es war getan. Er hatte es tatsächlich geschafft! Quent war fort – wohin auch immer, und seine Meisterin so gut wie tot. Er hatte sie beide
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