Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
keine zehn Pferde und keine zehn Verträge davon abhalten, diese Stadt zu erstürmen«, sagte er nachdenklich.
» Dann ist es ja beinahe ein Glück, dass das Schicksal wollte, dass er seinen Bruder und den Seerat ermordete, nicht wahr, Graf?«
» Nicht für alle kann man das Glück nennen, Baronin«, berichtigte der Gesandte düster, » und wir beide wissen, dass das Schicksal mit diesen Taten nur wenig zu tun hatte.«
Es roch nach kostbarem Öl. Die ganze Katakombe war von dem Geruch erfüllt. Bahut Hamoch starrte gebannt auf den Leichnam des Herzogs. Sechzehn Tage war Hado III . nun tot, und doch sah er so aus, als habe er sich gerade eben erst zum Schlafen hingelegt. Er war ein wenig ausgemergelt, blass, und seine Haut glänzte unnatürlich, weil die Balsamierer in einem seltsamen Akt der Verschwendung nicht an kostbaren Essenzen gespart hatten.
» Wir öffnen einen tiefen Spalt in der Wand, die unser Reich von dem der Toten trennt, Hamoch. Reißt Euch zusammen. Jeder Fehler kann verhängnisvolle Folgen haben.«
» Ja, ehrwürdige Kisbara«, erwiderte er.
Sie waren zu dritt. Die Türen waren verriegelt, die Homunkuli, die wenigen, die ihnen geblieben waren, waren in einer Kammer eingesperrt. Kisbara wollte keinesfalls gestört werden, und es hatte Hamoch einige Überredungskunst gekostet, dass wenigstens Esara dabei sein durfte.
» Wir zwingen einen Geist zurück in einen Körper, den er lange hinter sich gelassen hat, Hamoch. Das ist schmerzhaft für ihn, aber auch für uns, vor allem für mich, denn natürlich würde diese Beschwörung Eure armseligen Fähigkeiten bei weitem übersteigen.«
» Ja, Meisterin«, murmelte Hamoch und brannte darauf, diesen fortgesetzten Beleidigungen endlich ein Ende zu bereiten.
Kisbe Kisbara schritt den schwarzen Beschwörungskreis ab, kontrollierte die verschiedenen Hölzer, die an bestimmten Positionen verbrannt werden mussten, streute zerriebenes Totenkraut und zerstoßenes Salz aus, richtete ein letztes Mal die zwölf weißen Kerzen aus und entzündete sie schließlich eigenhändig, während Esara und Hamoch alle anderen Lichtquellen im Laboratorium löschten.
» Queri arananu, Hado!«, intonierte Kisbara mit weit ausgebreiteten Armen. Sie hatte sich an das Fußende der mit vielen magischen Zeichen bedeckten Bahre gestellt, auf der der Leichnam ruhte. Sie trug ein schneeweißes Gewand und ein blutrotes Stirnband und schwenkte ihren weißen, aus Knochen gefertigten Stab über der Leiche. Ihre Augen schienen zu leuchten, und sie schien zu wachsen, als sie die Worte wiederholte: » Queri arananu, Hado! Eschemtu irkal, eschemtu queru!«
Sie hielt inne, schritt zum Kopfende der Bahre und sagte erneut die Worte auf. Das Licht der Kerzen flackerte, und die Schatten der drei, die den Toten beschworen, tanzten an der Wand. Hamoch sah es und flüsterte lautlos: » Parasch nabalkutu, Quent, queri eschemtu!« Und er hoffte inbrünstig, dass Quent die Lücke zwischen den Welten, die Kisbara schlug, nutzen konnte, um aus seinem Gefängnis auszubrechen.
Das Spiel wiederholte sich: Kisbara, vertieft in die Beschwörung, befahl dem Verstorben, aus dem Totenreich in seinen Körper zurückzukehren, während Bahut Hamoch leise und heimlich versuchte, Quent den Riss in den Welten zu zeigen. Die Kerzen flackerten, und ein leises Zischen lief durch die Wölbungen der Katakombe. Hamoch spürte, wie seine Haare sich aufstellten. Sie waren nahe dran. Die Luft schien schwerer zu werden, und ein Knistern lief durch die Wände. Kisbara intonierte wieder und wieder und schritt auf und ab, und Hamoch konnte sehen, wie es an ihr zehrte, wie der Glanz ihrer Augen schwächer wurde, ihre makellose weiße Haut Runzeln bekam und ihr stolzer, gerader Leib sich beugte. Selbst ihre Stimme klang bald heiser, und er dachte mit Abscheu daran, dass oben, in seinem alten Arbeitszimmer, zwei zehnjährige Mädchen warteten, die noch nicht wussten, wozu Kisbara sie brauchen würde. » Queri arananu Hado, queri!«, rief sie noch einmal und blieb dann stehen.
Auch Hamoch hielt inne. Die Luft war so stickig geworden, dass ihm das Atmen schwerfiel, und Schweiß rann ihm in die Augen. Hatten sie es geschafft? Angst kroch ihm den Rücken hinauf. Er hatte sich darauf eingelassen, Kisbara zu hintergehen. Ihre Rache würde furchtbar werden, falls er versagte, und falls er nicht versagte, war Quent wieder da, und er war vermutlich ebenso rachsüchtig wie die Totenbeschwörerin.
» Du bist hier, Geist, ich spüre dich«,
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