Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
gar nicht sicher sei, ob die anderen Thronanwärter wirklich tot seien. Dann hatte er wissen wollen, wer zu diesem feierlichen Ereignis eingeladen werden sollte.
» Ladet Gesandte aus den zwölf großen Städten des Seebundes ein, denn so ist es doch wohl Brauch, oder?«
» Gewiss, doch wollt Ihr, dass auch Vertreter von Oramar zugegen sind, Hoheit?«
Diese Aussicht sorgte bei Shahila für Unbehagen. Sie wollte nach Möglichkeit nicht einmal einen Abgesandten ihres Vaters sehen. » Es ist wohl unvermeidlich«, sagte sie schließlich, aber sie hoffte, dass der steinerne Würfel bis dahin geöffnet und der Weg zu unbegrenzter Macht endlich frei wäre.
Verwalter Ordeg war gegangen, um die entsprechenden Schreiben aufzusetzen, dann waren die drei Wirte aufgetaucht, mit ihren unbedeutenden Beschwerden über zerbrochene Krüge und beschädigte Tische. Doch nun waren auch sie endlich gegangen. Als sie die Tür schlossen, ließ sich Shahila erleichtert in die Kissen des Thrones sinken. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, dass da noch jemand war: eine junge, hagere Frau in ärmlicher Kleidung. Sie stand in der Mitte der Halle, als hätte sie schon immer dort gestanden.
» Wer seid Ihr, und wer hat Euch hier hereingelassen?«, knurrte Almisan und trat sofort schützend vor den Thron.
Shahila setzte sich auf.
» Aber Bruder, erkennst du die Schatten nicht, die du gerufen hast?«
Almisan runzelte die Stirn. » Du? Du bist jener Schatten, den die Bruderschaft auf das Schiff schickte?«
» In deinem Auftrag, Bruder Almisan.«
» Ein Mädchen? Die Bruderschaft hat ein kleines Mädchen gesandt?«
» Du kannst mich Jamade nennen, Bruder«, erwiderte die junge Frau schon beinahe herablassend und warf dem Rahis einen Beutel zu.
Dieser fing ihn geschickt auf und blickte hinein. Dann reichte er ihn an die faszinierte Shahila weiter. Auch sie warf einen Blick hinein. Es waren Edelsteine: Tigeraugen, Smaragde, Bernsteine, auch ein großer Topas. Es waren die Steine, die Almisan in ihrem Namen der Bruderschaft übergeben hatte, um die Angelegenheit mit Belerans Brüdern zu regeln.
» Warum habt Ihr sie nicht behalten?«, fragte sie und wog die Steine in der Hand. Sie hatte nicht damit gerechnet, sie jemals wiederzusehen. Eigentlich gehörten sie Beleran, waren Teil seiner Mitgift. Er hatte noch gar nicht bemerkt, dass sie fort waren, genauso wenig war ihm bekannt, dass sie in ständiger Geldnot steckten.
» Ich bin ein Schatten, kein Dieb, Herrin. Ich habe meinen Lohn erhalten. Diese da bekam Kapitän Baak, damit er die Galeere an geeigneter Stelle versenkte. Hätte ich ihm nicht im Genick gesessen, hätte er es wohl nie getan. Und da er nun tot ist, wie alle, die auf diesem Schiff waren, braucht er sie nicht mehr.«
» Es scheint, als hätte ich meine Schattenschwester unterschätzt«, meinte Almisan.
» Ein Fehler, den die meisten nur einmal begehen, Bruder.«
» Ist sicher, dass die Prinzen tot sind?«, fragte Shahila schnell. » Und Gajans Familie auch? War sie mit ihm an Bord?«
» Seine Frau und seine drei Söhne. Es gab nur ein Boot, und das hatte der Kapitän mit seinen Getreuen genommen, als das Schiff auf die Felsen lief. Er hat es gleichzeitig in Brand gesetzt, ein Rat, den er von mir erhalten hatte. Ich glaube nicht, dass irgendjemand dieser Hölle entkommen konnte. Ja, der Kapitän dachte sogar daran, auch mich dort zurückzulassen. Ich musste mir meinen Platz im Boot gewissermaßen erkämpfen. Ich habe ihm nach Art der Schatten dafür gedankt.« Die junge Frau lächelte vielsagend, und Shahila konnte sich den Rest zusammenreimen.
Sie ließ einige der Steine aus dem Beutel auf die Hand gleiten. Sogar im Dämmerlicht der Halle glitzerten sie. Was für ein Tag, was für eine Wendung! Sie hielt unerwartet ein kleines Vermögen in der Hand und wusste endlich sicher, dass Gajan mit seiner Familie ebenso wie sein Bruder Olan auf dem Meeresgrund ruhte. Das alles hatte sie mit diesen Edelsteinen erreicht, die sie nun durch ihre Hände gleiten ließ, und die waren so schön und unbefleckt wie zuvor. Sie tauschte einen kurzen Blick mit Almisan, dann wusste sie, was zu tun war: » Habt Ihr vielleicht Interesse daran, Jamade von den Schatten, Euch einige dieser Steine zu verdienen?«
Die junge Frau stand immer noch in der Mitte des Raumes. » Möglich«, sagte sie und wirkte mäßig interessiert. » Doch solltet Ihr wissen, dass ich mir meine Aufträge aussuche. Es wäre also gut, Euer Wunsch stellte eine
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