Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
Verschwörer? Die Dokumente mochten beweisen, was sie wollten, aber der Alte war viel zu aufbrausend und unbeherrscht gewesen, um eine heimliche Intrige zu spinnen. Und nie hatte er Interesse an mehr Macht gezeigt, als er ohnehin schon besessen hatte. Nein, Hamoch gestand es sich ein: Die Baronin hatte ihn zum Narren gehalten. Sie hatte ihn betört, und er hatte ihr geholfen, die Macht in Atgath zu ergreifen, denn die beiden Männer, die sie vorher innegehabt hatten, Hado und Quent, waren nun tot. Er strich sein Gewand glatt. Ich habe es vorher gewusst, dachte er. Ich wusste es und habe ihr dennoch geholfen, denn sonst hätte Quent mich in Ketten nach Frialis geschickt, wegen der Wunder, die ich hier vollbringe. Quent hätte seine Arbeit und auch ihn selbst vernichtet. Die Baronin hatte das verhindert. Das war wichtiger als die falschen Andeutungen, sie würde ihn in ihr Gemach lassen. Er war ein Mann, aber er war auch ein Zauberer, zur Enthaltsamkeit verpflichtet, und die Gedanken an fleischliche Gelüste hatte er vor langer Zeit in die hintersten Winkel seines Kopfes verbannt. Und dennoch, er war gekränkt. Vielleicht ging er der Baronin auch deshalb aus dem Weg.
Sein Blick wanderte wieder zur Wasseruhr. Sie hatte sich nicht bewegt. Drei seiner Geschöpfe durchstreiften die Gänge unter der Stadt. Sie gingen gemeinsam, denn es gab dort unten ganz offensichtlich Feinde, Menschen, die diesen zarten Geschöpfen nicht wohlgesinnt waren. Sein besonderes Augenmerk galt vier anderen von ihnen. Er hatte sie Panu, Sanu, Salasat und Rebu getauft, nach den ersten Buchstaben des Alt-Haretischen Alphabets. Er hatte die Namen zuvor schon einmal vergeben, an die ersten, die er erschaffen hatte, doch waren diese vier noch kurzlebig gewesen und nach wenigen Tagen gestorben. Er war besser geworden, jedes seiner Geschöpfe lebte nun schon länger als seine Vorgänger, und diese vier waren etwas Besonderes, denn er hatte sie aus der Leiche von Nestur Quent gemacht. Hamoch beobachtete sie genauer als je einen Homunkulus zuvor, suchte nach Zeichen magischer Begabung, bislang jedoch vergeblich.
Er räumte sich einen Tisch frei und breitete die alten Pergamente aus, die ihn auf das Geheimnis dieser Wesen gebracht hatten. Sie waren schadhaft, die Schrift an einigen Stellen verblichen, und vieles, was dort geschrieben stand, hatte er erst richtig verstanden, als er es durch Versuch und Irrtum schon selbst herausgefunden hatte. Je kürzer der Tod des Leichnams zurücklag, desto länger lebten die Homunkuli, das war die wichtigste seiner Erkenntnisse, und so gesehen war es mehr als bedauerlich, dass er das Köhlermädchen nicht hatte verwenden können. Ein noch zuckendes Herz musste für die Lebensspanne seiner Geschöpfe Unglaubliches bedeuten.
» Wie ich sehe, übertrefft Ihr die alten Meister in einigen Punkten«, sagte eine samtene Stimme.
Unwillig sah Hamoch auf. Hatte er Esara, seiner Dienerin, nicht oft genug eingeschärft, dass niemand dieses Laboratorium betreten durfte?
Auf der Treppe stand eine schlanke Frau von schwer bestimmbarem Alter. Ihr Haar leuchtete weiß unter der grauen Kapuze hervor, doch ihre Stimme klang jung, und auch ihre Hände wirkten nicht wie die einer alten Frau. Sie schlug die Kapuze zurück, und nun sah Hamoch, dass ihr schmales Gesicht ebenfalls recht jung wirkte.
» Wer seid Ihr, und wer hat Euch erlaubt …«
» Kisbe Kisbara ist mein Name, und die Erlaubnis, hier einzutreten, habe ich mir selber gewährt, da Eure Sklavin dazu nicht in der Lage war.« Sie kam langsam die Treppe herab, sah sich um, und sie wirkte nicht sehr überrascht, was die Homunkuli betraf. Die gingen weiter ihrer Arbeit nach, als sei die Fremde gar nicht vorhanden.
» Esara? Habt Ihr ihr etwas angetan?«
Die Frau schüttelte den Kopf. Sie schien belustigt zu sein. » Diese vertrocknete alte Vettel steht dort oben vor der Pforte und starrt wie gebannt ins Nichts. Sie hat also Zeit und Gelegenheit, über ihre Sünden und Fehler nachzusinnen, und ich fürchte für sie, dass es mehr Fehler als Sünden sind.«
Hamoch runzelte besorgt die Stirn. Wenn er diese Frau richtig verstand, hatte sie einen Zauber eingesetzt. » Ihr tragt keine Zeichen«, sagte er vorsichtig.
» Ihr tragt Zeichen, Bahut Hamoch, vom Orden der Silbernen Flamme der Weisheit, wenn mich meine Augen nicht täuschen. Ihr habt sie jedoch ein wenig verändert, nicht wahr? Achter Rang? In Eurem Alter? Ihr seid nicht der Schnellste, wie?«
Hamoch fuhr unwillkürlich
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