Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
beinahe windstill, und das sollte es nicht sein, nicht wenn es dort oben rund um die Burg doch stark bläst. Aber nicht im Turm. Da ist der Wind beinahe gar nicht da.«
» Und wenn er da ist, dann flüstert er«, sprang der zweite bei.
» Und wir glauben, weil es doch Quents Turm war, versteht Ihr? Sein Geist, vielleicht …«, brachte der erste hervor.
» Und was sagt er, dieser Wind?«, fuhr Shahila sie ungehalten an.
Die beiden Männer tauschten einen schnellen Blick. » Wir … wir verstehen ihn nicht, Herrin«, stieß dann einer der beiden hervor.
Shahila runzelte die Stirn. Wollten diese Männer sie zum Narren halten? Ängstigten sie sich so sehr vor Quents Geist? Oder schämten sie sich, weil sie eigentlich wussten, dass es dumm war, sich vor dem Wind zu fürchten? Sie seufzte, unterdrückte die aufflammende Wut und gab sich freundlich: » Nun gut, ich werde Meister Hamoch bitten, nach dem Rechten zu sehen. Genügt Euch das? Bis dahin erwarte ich, dass weitergearbeitet wird.«
Doch genau das wollten die beiden Maurer um keinen Preis der Welt tun, nicht solange Quents Geist, der dort oben angeblich umging, nicht gebannt war.
» Ein Geist, am hellen Tag?«, fuhr sie die Männer an. Sie hätte die beiden Feiglinge liebend gern in den Kerker werfen lassen, aber sie besann sich rechtzeitig darauf, dass sie sich in Atgath keine Feinde machen durfte. Also schickte sie die Maurer hinab in die unteren Geschosse, wo sie bei der Reparatur des Schadens helfen konnten, den der Wassermeister angerichtet hatte.
» Dieses Gerede ist zwar albern, aber wir sollten jemanden zu Hamoch schicken. Dieser Zauberer vernachlässigt seine Pflichten als Kanzler für meinen Geschmack doch etwas zu sehr, Almisan«, sagte sie, als die beiden Maurer unter vielen dankbaren Verbeugungen endlich die Halle verlassen hatten.
» Wenn ich mich recht erinnere, habt Ihr vor Kurzem noch gesagt, dass Ihr nicht wünscht, dass Hamoch sich zu sehr einmischt, Hoheit«, erwiderte Almisan ruhig.
Sie warf ihm einen belustigten Seitenblick zu. » Ich danke dir, dass du mich an meine Fehler erinnerst. Ich wollte allerdings nicht, dass er sich völlig in seinem Keller verkriecht. Wirklich, ich frage mich, was unser Zauberer dort unten den ganzen Tag treibt.«
Bahut Hamoch starrte unzufrieden auf den Tisch, auf dem er schon so viele Leichen zerlegt hatte. Einer der Homunkuli war hinaufgeklettert und wischte dort schon eine gewisse Zeit, ohne dass das Holz sauberer wurde. Er wusste, er hätte ihm eine andere Aufgabe zuteilen sollen, doch ihm fiel keine ein. Er wandte sich ab und trat aus der Kammer in die weitläufige Katakombe. Ein Dutzend Homunkuli war dort zugange, putzte, reinigte, füllte Öl in den Lampen auf. Aber der große Ofen war fast erloschen, die Glaskolben, die Meister Dorn unter der üblichen Drohung, es seien die letzten, wenn er nicht bald bezahlt werde, geliefert hatte, standen nutzlos in der Ecke. Er hatte kein Rohmaterial mehr. Die Toten, die der Schatten hinterlassen hatte, waren längst zerteilt und zersetzt und in diesen zwölf und drei weiteren kleinen Gestalten zu neuem Leben erwacht.
Er hatte drei Tage durchgearbeitet, immer in dem Wissen, dass jeder Tag der Verwesung der zur Verfügung stehenden Körper die Lebenserwartung seiner Geschöpfe senkte. Nun war es vollbracht, seine Kinder arbeiteten und putzten, und nur für ihn selbst blieb nichts zu tun. Er sah auf die Wasseruhr: Der Schwimmer zeigte immer noch dieselbe Stunde. Er seufzte. Vermutlich erwartete man, dass er sich um die Angelegenheiten der Stadt kümmerte. Aber hatte er nicht neben all der Arbeit hier unten die Beisetzung organisiert? Und hatte nicht die Baronin angedeutet, dass sie seine Einmischung in die Regierungsgeschäfte gar nicht wünschte? Sie war ausgesprochen kühl gewesen. Es gab keine warmen Berührungen mehr, keine geflüsterten Andeutungen, keine tiefen Blicke, mit denen sie ihn vor der ganzen Sache verwirrt, ja, betört hatte. War das nur der Trauer um den Herzog geschuldet, der Rücksicht auf die Gefühle ihres Mannes? Hamoch verstand diese Frau nicht.
Er hatte nichts zu tun, und das hieß, er konnte darüber nachdenken, was hier geschehen war. Quent hatte hinter der Verschwörung gestanden, hatte den Schatten nach Atgath gerufen, das war durch Dokumente eindeutig belegt. Hamoch hatte versucht, ihn aufzuhalten, hatte ihn sogar besiegt, aber es war zu spät gewesen, um den unglücklichen Hado zu retten. Hamochs Blick ging ins Leere. Quent ein
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