Schattenprinz
wegführen.«
Entschieden schüttelte Gareth den Kopf. »Nein. Er ist mein Bruder. Du wirst ihn nicht zum Narren halten können. Es ist zu gefährlich.«
Baudoin rückte den Riemen eines der Tornister zurecht, um den Druck auf Gareths verwundete Schulter zu lindern. »Ich kenne Cesare ziemlich gut. Schließlich habe ich Sie beide großgezogen. Ich habe mich noch nie davor gescheut, meine Pflicht zu tun. Und das werde ich auch jetzt nicht.«
»Das hier ist mehr, als nur meine Maskerade als Greyfriar zu decken. Cesare wird vor nichts haltmachen, um die Prinzessin wieder in seine Gewalt zu bringen.«
»Warum geben Sie sie ihm dann nicht einfach zurück?«, fragte Baudoin schlicht, absolut bereit, die Menschenfrau zu opfern, um seinen Prinzen zu schützen.
Adele versteifte sich neben Gareth, und ihr Blick flog zwischen den beiden Vampiren hin und her.
»Weil ich es nicht will«, war Gareths ebenso schlichte Antwort.
In dieser einen freimütigen Aussage hörte Baudoin genau das, was er nicht hören wollte. Sein Herr empfand etwas für die menschliche Prinzessin, und es gab nichts, was Baudoin tun konnte, um es zu verhindern. Kein Vampir hatte es je gewagt, das Leben eines Menschen über das eines Vampirs zu stellen. Wenn irgendetwas einen Bürgerkrieg auslösen konnte, dann das.
Der Diener wusste zwar nicht, welche Zukunft vor ihnen lag, aber er würde seinen Schützling nicht im Stich lassen. Der Prinz war schon immer willensstark und ungewöhnlich gewesen, was innerhalb des Clans großen Unfrieden ausgelöst hatte. Mit etwas Glück würde die unbequeme Verblendung des Prinzen mit der Zeit nachlassen und dies alles zu nichts als einer unerfreulichen Erinnerung werden.
Baudoin zuckte mit den Schultern. »Dann will ich die Burg nicht verlassen. Wenn es mir gelingt, Ihren Bruder auch nur eine Stunde lang aufzuhalten, dann wird das schon eine Hilfe sein. Das ist meine Entscheidung, nicht Ihre.«
Gareth funkelte seinen treuen Freund finster an, doch er wusste, dass er den Kampf bereits verloren hatte. Baudoin hatte schon immer jedes Risiko ohne Frage akzeptiert. Aber das bedeutete nicht, dass sich der Prinz weniger Sorgen um ihn machte. Cesare würde Baudoin verletzen, um Gareth zu treffen.
Er antwortete mit einem Seufzen. »Dann soll es so sein. Aber lass nicht zu, dass mein Bruder seinen Einfluss dazu benutzt, seine Truppen in Edinburgh einmarschieren zu lassen. Er will nur die Prinzessin und mich. Falls er versucht, die Stadt zu besetzen, dann schick ihn einfach hinter uns her. Wir werden zurechtkommen, so gut wir können. Alle Bediensteten müssen die Burg verlassen. Und sag all meinen Untertanen Bescheid, dass sie sich verstecken sollen.«
»Wo werden Sie hingehen?«
»Nach Norden«, sagte Gareth.
»Zu den Steinen?«, fragte der Diener, doch Gareth antwortete nicht. Was Antwort genug war. Baudoin beäugte den blutigen Zustand seines Lehnsherrn. »Das werden Sie nicht schaffen. Es ist zu weit.«
Überrascht über diese Unverblümtheit klappte Gareth der Mund auf. Baudoin war noch nie jemand gewesen, der die Dinge beschönigte, doch diese pessimistische Einstellung war neu. »Ich habe keine große Wahl.«
Baudoin verkniff sich einen abfälligen Kommentar. Für dieses Problem gab es keine Lösung. Gareth konnte nicht darauf hoffen, Cesare auf dem Landweg abzuhängen, und in der Luft konnte er mit dem Mädchen nicht lange bleiben. Aber der Prinz würde Adele nicht im Stich lassen. »Dann brechen Sie am besten unverzüglich auf. Sie verschwenden nur kostbare Zeit.«
Gareth legte Baudoin fest die Hand auf die Schulter. »Wir werden uns wiedersehen.«
»Natürlich.« Baudoin spürte, wie schwach der Griff seines Schützlings war.
Gareth und Adele liefen durch die Burg und betraten ein enges, wenig benutztes Treppenhaus. Nachdem sie weit genug in die Dunkelheit hinabgestiegen waren, erreichten sie eine kleine, vergitterte Tür an der Rückseite der Burg. Sie standen an die hundert Meter über den verstreuten Gebäuden des Ortes, mit einer schroffen Felswand zwischen ihnen und dem Erdboden.
»Ich glaube mich daran zu erinnern, dass die Burg auch eine Vordertür hat.«
Gareth holte einen rostigen Schlüssel hervor und sperrte das eiserne Tor auf. Das schwere Gitter schwang auf, bis es gegen den Fels krachte. »Hier entlang sind wir schneller. Ich weiß nicht, wie nah Cesare schon ist.«
Adele warf nur einen einzigen Blick nach unten und verzog das Gesicht. »Es ist nicht so, dass ich Höhenangst hätte, aber
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