Schattenprinz
Er konnte die Angst in ihren Augen nicht besänftigen, da er wusste, dass sie sich in seinen eigenen widerspiegelte.
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E dinburgh Castle war voller Vampire.
Es machte Gareth krank, das mit anzusehen. Er hatte seinem Bruder den strikten Befehl erteilt, dass die Pale sich auf das erbärmliche Luftschiff zu beschränken hatten, das über dem Burghof schwebte. Eine gereizte Flay war gegangen, um ihnen die Nachricht zu überbringen.
»Du lebst hier wie ein Bettler«, meinte Cesare höhnisch über einem Kelch dicken, nahrhaften Blutes zu Gareth. »Du bist noch törichter, als ich glaubte. Da dachte ich, du lebst hier wie ein Gott in diesem trostlosen Königreich. Deine Herden haben es ja besser als du.«
Gareth verbarg seine Wut – nur eine leichte Verfärbung seiner bleichen Wangen deutete darauf hin. »Ich ziehe sie meiner gegenwärtigen Gesellschaft vor.«
»Du bist nicht mehr ein Prinz als diese lächerliche Kreatur.« Mit einem lässigen Winken deutete Cesare auf eine vorbeischleichende Katze.
Gareth rang sich ein kaltes Lächeln ab und trommelte mit langen Fingern ungeduldig auf den Tisch.
»Weißt du, Gareth, ich habe über die Prinzessin nachgedacht.« Cesare lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
Gareths Herz setzte einen Schlag aus, doch seine Finger gerieten nicht aus dem Rhythmus, und sein Gesichtsausdruck blieb unbeteiligt und gelangweilt. »Was du nicht sagst.«
»Ich denke, ihre Nützlichkeit hat sich erschöpft. London wurde bereits von den Menschen angegriffen.« Nun lächelte er über Gareths hochgezogene Augenbraue. »Oh ja. Ganz offensichtlich warst du zu dem Zeitpunkt fort oder hast dich versteckt. Der Gefährte der Prinzessin kam vom Himmel herunter und schlachtete ein paar hilflose Wanderer ab. Flay hat ihn ohne große Schwierigkeiten verjagt.«
»Dann hat sie ihn nicht getötet?«
»Nein. Er hat offensichtlich nach seiner Gefährtin gesucht. Aber da war sie schon auf der Flucht, dank dieses … dieses … Mannes.«
»Greyfriar«, ergänzte Gareth etwas zu schnell.
»Ja. Greyfriar.« Cesare nahm einen weiteren tiefen Schluck Blut. Missbilligend ließ er die Auslese im Glas kreisen. »Ein wenig dünn, finde ich. Wie dem auch sei, Greyfriar. Bist du ihm begegnet, als du die Prinzessin fandest?«
»Nein. Die Prinzessin war allein.« Gareth lachte spöttisch. »Vielleicht hat Flay ihn umgebracht.«
»Nein, das hat sie nicht.« Ein bitterer Ausdruck huschte über Cesares Gesicht. »Das hat sie nicht.«
»Hm. Nun, ich habe ihn nicht gesehen.«
»Was für ein glücklicher Zufall, dass du über die Prinzessin gestolpert bist, als sie allein in der Wildnis umherwanderte.«
»Ganz recht.«
Cesare richtete sich auf. »Wie ich schon sagte, der Krieg hat begonnen, in jeder Hinsicht. Wir wurden blutig angegriffen, zuerst in Bordeaux und jetzt in London. Offensichtlich werden diese Verrückten in Alexandria nicht zögern, ihren Krieg voranzutreiben. Also bedeutet ihnen ihre kostbare Prinzessin nichts.« Er starrte seinen Bruder an. »Deshalb bedeutet sie mir jetzt auch nichts mehr.«
»Und?«
»Und deshalb muss sie sterben.«
Gareth hörte auf, mit den Fingern zu trommeln, und einen Augenblick lang hörte er auch auf zu atmen. Dann fand er seine gleichgültige Haltung wieder. »Interessante Folgerung. Leider ist sie meine Gefangene. Also sage ich, was mit ihr geschieht.«
»Einstweilen. Sobald wir in London sind, ist sie Eigentum des Königs, und er kann sich ihrer entledigen, wie er wünscht. Ich frage mich, wem er sie wohl geben wird? Dir oder mir?«
Cesare lachte wie ein boshaftes Kind, als Gareth abrupt aufstand und zum kalten Kamin hinüberging. Er konnte seinen Bruder nicht länger ansehen. Spuren von Asche lagen noch im Kamin von dem Abendessen vor wenigen Tagen, dem ersten Mal seit über einem Jahrhundert, dass er wieder benutzt worden war. Seit diesem aufregenden Abend schien ebenfalls ein ganzes Jahrhundert vergangen zu sein. Baudoin zog den Blick seines Prinzen auf sich, als er, ganz der aufmerksame Diener, mit einem leeren Tablett aus dem Zimmer schritt.
Gareth folgte ihm hinaus. »Was gibt es?«
»Prinz Cesares Rudel wird nicht lange auf dem Schiff bleiben. Es wird bald auf die Jagd gehen wollen.«
Gareth nickte. »Die Stadtbewohner wurden gewarnt, in ihren Häusern zu bleiben. Aber ich fürchte, du hast recht. Irgendwann werden sie gejagt werden.«
»Je länger der Aufschub, umso größer das Risiko.«
»Wir sollten morgen früh fort sein.«
»Was werden Sie und die
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