Schattenprinz
angemessen eingeschüchtert. Er blieb drei Meter vor der Estrade stehen und verbeugte sich knapp. Seine Kleider waren zusammengewürfelt und schlecht geflickt. Lord Kelvin hatte versucht, ihn mit anständiger Kleidung auszustatten, aber der Botschafter hatte sich geweigert. Die abgerissene Aufmachung erfüllte die kaiserlichen Ratsmitglieder nur mit noch mehr Verachtung über diese diplomatische Farce. Die Granden hassten es, ihren Kaiser so tief sinken zu sehen, einen Repräsentanten der Vampire empfangen zu müssen. Es war lächerlich. Es war undenkbar. Vielen dieser politischen Urgesteine kam es so vor, als sei jedes Mal, wenn die Ehre Equatorias in Mitleidenschaft gezogen wurde, Adele der Grund dafür. Zum Glück würde Senator Clark die Monster für diese schreckliche Erniedrigung bezahlen lassen.
»Eure Majestät«, krächzte der menschliche Botschafter. »Ich überbringe eine Botschaft des Grußes und des Wohlwollens von König Dmitri, Souverän von Großbritannien.«
Auf seinem Platz im Schatten nahe der großen Türen wand sich Lord Kelvin vor Verärgerung. Er hatte ausdrücklich die Verwendung des Wortes Souverän verboten. Wenn diese Vampire und ihre Lakaien nicht einmal ein paar Seiten einfacher Regeln befolgen konnten, dann sollten sie auch nicht vorgeben, Mitglieder der weltweiten Gemeinschaft zu sein.
Die finstere Miene des Kaisers verzerrte sich zu einer Grimasse des Hasses. Constantine war ein großer Mann, einst eine überwältigende körperliche Erscheinung, die ein Leben voller militärischer Heldentaten hinter sich hatte. Doch das war Jahre her. Eine verhältnismäßig leichte Regierungszeit in den letzten zehn Jahren hatte ihn weicher und korpulenter werden lassen. Er hatte gut ausgesehen, als er jung gewesen war, doch nun hatte er Hängebacken bekommen, was sein buschiger Backenbart und das relativ schwach ausgeprägte Kinn nur noch verstärkten. Die juwelenbesetzte Krone verbarg, dass sein Haar schütter wurde. Sein linkes Augenlid hing ein wenig, das Andenken eines Zulu-Speers, und die letzten Wochen in Sorge um das Leben seiner Kinder und die Zukunft des Reiches hatten ihm eine fahle Blässe und vom Schlafmangel müde, dunkel geränderte Augen beschert.
»Wenigstens kannst du sprechen«, blaffte der Kaiser. »Wir werden dich anhören, Blutdiener. Was will dein Herr?«
Der Botschafter besaß die Frechheit, den Kaiser stumm für seine undiplomatische Offenheit zu tadeln, indem er irritiert eine Augenbraue hochzog. »Seine Majestät Dmitri ist voller Bedauern über die gegenwärtige Situation zwischen unseren Nationen.«
»Wie schön.« Mit narbenübersäten Händen umklammerte Constantine die Armlehnen des Throns. »Wir finden, es wäre einfach genug, diese gegenwärtige Situation zu beenden, damit er aufhören kann, voller Bedauern zu sein.«
»Das ist nicht so einfach, wie es klingt.«
»Nicht?«
Der Botschafter atmete tief aus. »Die Flotte Ihrer Tochter drang ohne Erlaubnis in Vampirterritorium ein. Wir hatten keine Ahnung von Ihren Absichten. Wir haben uns verteidigt, wie es das Recht eines jeden Volkes ist.«
Das Gesicht des Kaisers rötete sich, und sein hängendes Augenlid begann zu zucken. »Vampire sind kein Volk. Sie haben keine Rechte. Sie haben kein Territorium. Sie sind Tiere.«
»Jetzt haben Ihre Streitmächte einen unprovozierten Angriff auf Bordeaux unternommen«, fuhr der Gesandte fort. »König Dmitri fürchtet, der nächste Angriff könnte ihm gelten.«
»Das nenne ich einmal einen klugen Vampir.« Clark rasselte mit dem Säbel.
Der drahtige Botschafter streckte eine zitternde Hand in Clarks Richtung aus. »Da. Da haben Sie den Standpunkt meines Königs vor aller Augen. König Dmitri hat kein Verlangen nach Krieg. Er wünscht das Wohlwollen und die Freundschaft von Equatoria. Und Amerika.«
»Komm zum Wesentlichen, du unerträglicher Wurm!«, rief Constantine.
»König Dmitri wünscht sich ein Friedensabkommen.«
Senator Clark lachte. »Ich werde die Bedingungen auf eine Kugel schreiben, und du kannst sie in deinem Schädel zurückbringen.«
Wütend beugte sich Constantine vor. »Bist du geisteskrank? Irgendein Vampir verkleidet sein Schoßtier als Mensch und schickt es zu mir? Damit es um ein Friedensabkommen bittet? Ein Friedensabkommen mit Vampiren? Würden wir mit einem tollwütigen Hund ein Friedensabkommen schließen?«
»Vielleicht, wenn der Hund Ihre Tochter gefangen hält.«
Im Saal brach Tumult aus. Viele der Ratsmitglieder schüttelten die
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