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Schattenprinz

Schattenprinz

Titel: Schattenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clay und Susan Griffith
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aufblickte, wirkte sie wieder wie das stets geduldige Faktotum, das auf Befehle wartete.
    Cesares Oberkörper war nackt. Er zog oft Hemd und Überrock aus, wenn er sich nährte. Er behauptete, es erinnere ihn an die alte, wilde Nacktheit der Zeit vor der Eroberung, doch Flay vermutete, dass er sich einfach nur die Kleider nicht beschmutzen wollte.
    Cesare zog sein weißes Hemd an und streifte sich Hosenträger über die Schultern. Flay hielt ihm einen langen grauen Cutaway hin, damit er hineinschlüpfen konnte. Er zupfte an seinen Manschetten und inspizierte die dunkle Hose auf Blutflecken. »Ich werde König Dmitri den Clan zusammenrufen lassen.«
    »Was? Aber du wolltest doch nicht, dass sich der Clan in deine Pläne einmischt.«
    »Pläne ändern sich.« Cesare wischte sich die Schuhe an seinem sterbenden Abendessen ab und murmelte wütend vor sich hin: »Was stimmt nur nicht mit diesem Clark? Glaubt er denn nicht, dass ich sie töten würde? Weiß er denn nicht, wer ich bin?«
    Flay betrachtete Cesares Gesicht. Der junge Prinz war eindeutig verärgert über die Situation, doch da war noch etwas anderes. Cesare hatte angenommen, dass sein furchterregender Ruf die Menschen vor Entsetzen handlungsunfähig machen würde. Senator Clarks Angriff war unerwartet gekommen. Zum ersten Mal hatte Cesare die Initiative verloren, und er schien von Zweifeln befallen zu sein.
    »Dieser Angriff auf Bordeaux ist bedeutungslos«, fuhr der Prinz fort. »Nur ein Symbol für die Leute zu Hause. Clark würde es nicht wagen, eine größere Offensive zu starten. Selbst er ist kein so großer Idiot. Ich werde sie ganz sicher töten!«
    Die Kriegsführerin antwortete nicht. Sie war damit beschäftigt, Cesare dabei zuzusehen, wie er herumzappelte. Die achtlosen Bewegungen ließen ihn klein und besorgt wirken. Dann kam Flay ein Gedanke – ein Gedanke, der sie erstaunte. Cesare hatte Angst vor Clark. Der Senator war ein unberechenbarer Mensch.
    Wie Greyfriar, dachte Flay mürrisch.
    Aber nein, das war nicht dasselbe. Flay träumte davon, Greyfriar eigenhändig zu vernichten. Cesare dagegen schien es vermeiden zu wollen, gegen Clark zu kämpfen. Er wollte den Menschen eher auf Distanz halten als ihn töten. Ohne Zweifel gefiel dem Prinzen die Vorstellung nicht, dem großen Vampirtöter zu Leibe zu rücken.
    Flay verspürte eine nagende Leere in ihrem Inneren, denn aller Respekt war mit einem Schlag verflogen. Cesare hatte nie ihrem Idealbild eines Mannes entsprochen, aber wenigstens hatte er mächtig und entschlossen gewirkt.
    Bis jetzt.
    Sie dachte zurück an das Große Morden. Sie erinnerte sich an den Anblick von Gareth, wie er im Blutrausch ein Regiment menschlicher Soldaten vor sich her durch den blutigen Schnee von Great Glen trieb. Herrlich. Nicht eine verschwendete Bewegung, nicht eine verschenkte Gelegenheit. Er war eine Maschine aus Blut und Klauen. Flay hatte davon geträumt, Gareths Kriegsführerin zu werden.
    Das waren berauschende Tage für den Clan gewesen. Dmitri hatte seinen Verstand noch beisammen und war der angesehenste König Europas. Die Zukunft des britischen Clans schien strahlend. Dmitri besaß zwei Söhne, die beide auf ihre Weise tüchtig waren. Gareth umgab eine Aura von Kraft und Überlegenheit. Als das Große Morden begann, stürzte er sich im Namen seines Vaters in die Schlacht und stellte mit Gewalt seinen Mut unter Beweis. Er zeigte, dass er an der Reihe war, der nächste große König zu werden. Cesare dagegen war ein gerissener Manipulant und politischer Stratege, der einen perfekten Berater für seinen Bruder abgeben würde. Im Laufe des letzten Jahrhunderts allerdings hatte die Zivilisation dem Clan, allen Clans, die Seele genommen, und Dmitri war immer schneller in die Senilität abgedriftet. Die beiden Brüder, die sich nie nahegestanden hatten, gaben jede Hoffnung auf ein Miteinander auf. Überraschenderweise war es Gareth, der auf seine ihm in die Wiege gelegte Rolle als Anführer verzichtete, indem er in die abgelegene Einöde Schottlands auswanderte und sich kaum jemals dazu herabließ, an den Clanversammlungen teilzunehmen. Es sei denn, er wurde dazu gezwungen. Cesare füllte die Lücke und wurde zur rechten Hand des Königs, was Flay als Cesares Kriegsführerin sehr gelegen kam. Der jüngere Prinz war gerissen und völlig skrupellos. Er konnte ein geschickter König werden, aber er war nicht Gareth.
    Cesares Stimme riss sie in die Gegenwart zurück. »Warum wählt Gareth ausgerechnet diesen

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