Schattenraum 01 - Garlyn - Das Schattenspiel
vor ihnen aus, atemberaubend schwarz, nur beseelt von funkelnden, kleinen Lichtern.
Garlyn atmete kurz auf, als er sah, wie sich die Strangeness-Strahlung des Hyperraums langsam wieder abbaute. Er hatte einmal in seinem Leben erlebt, wie ein Strangeness-Overkill die Quantenzustände eines Schiffes pervertiert hatte, und seine Lust auf ein zweites Erlebnis dieser Art hielt sich in engen Grenzen.
Er spürte das Quietschen des Pilotensessels bis in seine Zähne, als Akina sich zu ihm drehte. »Sei doch so gut, und bring unserem ... Gast was zu essen. Ich bin schließlich kein Unmensch. Ich check’ währenddessen noch mal die Systeme.«
»Aye, Aye«, sagte er gut gelaunt und stand auf.
Akina lächelte. »Schade«, sagte sie.
»Hm?«
»Dass es nur drei Tage bis Bellona sind.«
Er erwiderte ihr Lächeln. »So was ähnliches wollte ich auch sagen, Captain.«
Kurz darauf entriegelte er die Kabine des Mädchens mit dem Passwort, das Akina ihm gegeben hatte, und trug ein Tablett mit einem Teller Proteinsuppe hinein.
Die Syndolon saß auf einer Pritsche, die Beine angewickelt, den Blick auf die Sterne gerichtet, die an dem Bullauge vorbeizogen. Ihr Mantel war neben ihr wie eine Decke ausgebreitet. Ihre Kleidung darunter war schwarz und körperbetont, ihre blassen Arme frei. Sie war wirklich ziemlich ansehnlich. Wäre sie nicht so ein Biest, hätte er längst seinen Charme spielen lassen. Obwohl – eigentlich hatte er eine Schwäche für Frauen mit Temperament.
»Was willst du?«, knirschte sie.
»Zeit für die Raubtierfütterung«, sagte er. »Aber wenn du keinen Appetit hast ...«
»Habe ich nicht.« Ihre Stimme war frostig. Aber ihr Bauchknurren verriet sie.
Er stellte ihr mit wissendem Lächeln das Essen auf den Klapptisch neben der Pritsche. »Wohl bekommt’s.«
»Leck mich«, sagte sie.
»Oh, darf ich?«
»Träum weiter.« Sie starrte so düster an die Wand, als versuchte sie, ein Loch in den Stahl zu brennen.
»Du hast damit angefangen«, gab Garlyn achselzuckend zu bedenken. »Ach ja, eine Frage noch.«
Sie machte eine obszöne Geste mit drei Fingern.
»Wovor bist du auf der Flucht?«, fragte er.
»Was?« Sie starrte ihn perplex an.
»Du hast es selbst ganz schön eilig gehabt, von der Station weg zu kommen. Ich vermute mal, das lag nicht an deinem übervollen Terminkalender.«
»Schwachsinn«, sagte sie. Aber sie hatte schon besser gelogen.
»Falls es dich beruhigt, ich nehm’s dir nicht krumm, dass du mir den Chip abgezockt hast.«
»Oh ja. Das beruhigt mich ungemein!«
»Mein Name ist Garlyn.«
»Schön für dich.«
»Und deiner?«
Sie starrte weiter an die Wand und strich sich das Haar hinter das spitze Ohr. Eine Geste, die er sehr sexy fand.
»Von mir aus«, sagte er nach vergeblichem Warten. »Vergiss nicht, was zu essen. Wie Vago immer sagte: ’n voller Bauch ist besser als ’n leerer Kopf.«
»Vago?«, wiederholte sie, halb erschrocken. »Geißel-der-Galaxis-Vago? Schrecken der Sternwege? Vago, der Erzpirat?«
»Ähmmm«, sagte Garlyn, erneut daran erinnert, dass geschätzte neunzig Prozent der Milchstraße guten Grund hatte, Vago bis aufs Blut zu hassen.
Sein Schweigen schien ihn zu verraten.
»Vater der Sterne«, sagte das Mädchen. »Du bist Vagos Ziehsohn!«
Ihr Blick war eine Mischung aus Fassungslosigkeit – und Faszination.
Ein mulmiges Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Woher kannte ein Mädchen wie sie jemanden wie Vago gut genug, um von seinem Adoptivsohn zu wissen?
»Ich dachte, der Autokrat von Shannagar hat Vago einkassiert«, sagte sie. »Er ist hingerichtet worden – zusammen mit seiner Mannschaft.«
»Du solltest nicht alles glauben, was sie in den Nachrichten erzählen«, sagte er.
Vago.
Für einen Moment wurde er zurückversetzt in die enge, blutverkrustete Zelle auf Exylon, dem Hochsicherheitsknast der Shannagar-Autokratie. Dort hatte er Vago in Ketten vorgefunden, nur noch ein jämmerliches Bündel aus Fell und Knochen. Seine Hauer – der Stolz eines jeden Borgonen – waren ihm abgebrochen worden, Blut lief aus seinem kurzen Rüssel. Garlyn war zusammen mit Rick und den anderen gekommen, um ihn vor der Hinrichtung zu retten.
Doch vergebens. Nach einem Feuergefecht mit dem Wachpersonal war Vago tödlich verwundet worden und kurz darauf auf der Krankenstation der Eric gestorben. Und Garlyns einziger Trost war, dass sie sich voneinander hatten verabschieden können, nachdem sie fünf Jahre zuvor im Zorn auseinander gegangen
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