Schattenraum 01 - Garlyn - Das Schattenspiel
Atem.
Er richtete sich auf. Schmerz pulsierte an seiner rechten Schläfe. Er berührte seinen Schädel und spürte die dicke Beule dort. Er erschrak fast, als er die Schattenhand an seinem Arm sah. Als er erkannte, dass es nur die Helix war, wusste er nicht, ob es ihn beruhigte oder nicht. Es war nicht das erste Mal, dass der Schattenriss seine Träume heimgesucht hatte. Und er wusste, dass es nicht das letzte Mal gewesen sein würde.
Großartig.
Er sah sich um, noch immer nicht ganz im Hier und Jetzt angekommen. Wo zum –?
Eine Schiffskabine. Ihre Wände waren elfenbeinweiß, mit schnörkeligen Verzierungen aus Gold. Er lag auf einem weichen Bett, bezogen mit silberner Flüsterseide. Seine Reisetasche stand daneben. Er hörte das leise Schnurren fremder Antriebe. Ein achteckiges Fenster zeigte ihm das flackernde, wabernde Chaos des Hyperraums.
Schlagartig kehrte alles zurück: die Syndolon. Captain Akina. Sein Zorn, der Schlag. Er hatte sich gewünscht, es wäre alles nur Teil des Alptraums gewesen.
Sie hatten ihn also am Leben gelassen. Ihn mit auf ihr Schiff genommen.
Warum?
Und wo war Kirai?
Er rief ihren Namen, aber ohne Antwort zu erhalten.
Er schwang sich vom Bett und klopfte sich ab, auf der Suche nach weiteren Blessuren. Aber er war unverletzt. Sein Finger bohrte sich durch das verkohlte Loch in seinem Hemd; er lächelte humorlos, als er sich an die dummen Gesichter der Spitzohren erinnerte, nachdem der Schuss ihn unversehrt gelassen hatte. Laserresistent – damit habt ihr nicht gerechnet, was? Er machte ihnen keinen Vorwurf: Das taten die wenigsten. Trotzdem: Sie hatten sein Lieblinshemd ruiniert.
Er blickte zur Tür. Sie war ebenso verziert wie die Wände und Decke, mehr ein Kunstwerk als alles andere. Zumindest hatten die Bastarde Stil. Er sparte sich den Versuch, die Tür zu öffnen. Er wusste, er war ein Gefangener.
»Hey!«, brüllte er. »Ich bin wach!« Gebt mir endlich Antworten, ihr Mistkerle.
Die Tür schob sich fast lautlos auf. »Ist uns nicht entgangen«, sagte der Anführer der Syndolon und zeigte amüsiert die Zähne. Wie hieß das Arschloch noch gleich? Hiska? Heska!
»Gut geschlafen, Kleiner?«
Garlyn blickte finster drein. »Ja, wie auf Wolken. Danke der Nachfrage.«
Heska lächelte und die Tätowierungen um seinen Mund kräuselten sich. »Gern geschehen. Netter Trick, übrigens. Die Sache mit dem Nanoschild.«
Garlyn runzelte die Stirn. »Nano-was?«
»Der Schild. Auf deiner Haut.«
»Alter, ich hab’ keine Ahnung, wovon du laberst.«
Heskas dunkle Smaragdaugen blickten überrascht. »Tatsächlich?«
Garlyn antwortete nicht.
»Wir waren neugierig, wie du die Nummer mit deiner Wiederauferstehung hingekriegt hast. Also haben wir dich in die Medieinheit gelegt und dich nach allen Regeln der Kunst gescannt. Deine Haut ist übersät mit Nanobots.«
Garlyn starrte ihn an. Nanobots?
»Du hast es echt nicht gewusst? Tja, wir haben auch nicht schlecht gestaunt. Wie es aussieht, errichten die Dinger Mikro-Kraftfelder, wann immer auf dich geschossen wird. Winzige, kleine Bodyguards. Durch deine graue Haut nicht zu erkennen.«
Schwachsinn , wollte Garlyn sagen. Ich bin von Haus aus laserfest, bin’s immer gewesen . Es war das Erbe der Crondar. Seine Haut reflektierte das gebündelte Licht irgendwie, oder brach es.
Zumindest hatte er das immer geglaubt.
Er betrachtete seine grauen Finger, betastete sein graues Gesicht.
Wer zum Teufel sollte mir irgendwelche Scheiß-Nanobots auf die Haut –?
Dann traf ihn die Antwort: Vago.
Natürlich. Vago hatte sein halbes Piratenleben lang nach den Crondar gesucht, auch wenn er weder ihren Namen noch ihre Geschichte gekannte hatte. Nur die Legenden über ihre Macht, ihre Technik.
Als er Garlyn dann gefunden hatte, seinen Schlüssel zu den Hinterlassenschaften der Crondar, musste ihm klar gewesen sein, wie wertvoll der graue Junge war. Und er hatte versucht, ihn mit allen erdenklichen Mitteln zu schützen.
Du alter Mistkerl , dachte Garlyn. Du verfluchter, alter Mistkerl! Was hast du mir sonst noch verschwiegen? Was hast du mir sonst noch eingebaut, nur um dir deine verdammte Beute zu sichern?
Oder hatte er es aus Liebe getan? Aus Sorge um seinen Adoptivsohn? Ein Teil von ihm wollte daran glauben. Der andere Teil lachte darüber.
Heska schien sich an seiner Verwirrung zu weiden. »Muss ein Vermögen gekostet haben, dich so herzurichten. Sieh’s mal so: Wer immer dir die Dinger geschenkt hat, hat dir einen großen Gefallen
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