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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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meiner Mom, die den Namen anfangs nicht so toll fand, hat er gesagt, dass die Geburt eines Kindes etwas Besonderes ist, daher sollte es auch einen besonderen Namen tragen.« Das war so typisch Dad.
    »Ich meinte Wittlach. Das klingt sehr deutsch.«
    »Oh … ähm … nicht, dass ich wüsste.« Es war Moms Nachname.
    Ira drehte das Radio leiser.
    »Ich hoffe, es ist okay, dass ich dich so überfallen habe? Meine Mom hat mich auf die Idee gebracht, dir ein bisschen die Gegend zu zeigen.«
    »Danke, sehr nett.« Ich musterte Iras Profil. Sie war hübsch. Die blonden Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten, und ihre Haut war so makellos wie bei einem Make-up-Model aus der Werbung.
    »Wie lange bleibst du denn in Calmwood?«
    »Zweieinhalb Wochen sind geplant. Die Reise war ein Geburtstagsgeschenk meiner Eltern.«
    »Cool. Aber ich sage dir, die Zeit vergeht schnell, wenn du erst meine Freunde kennengelernt hast.« Das klang vielversprechend.
    »Du meinst sicher die beiden, die gestern mit dir im Café saßen.«
    »Ja, genau. Linda und Pway. Wir nennen ihn Pway, aber eigentlich heißt er Ben Pwayton. In Rapid City eröffnet am Freitag ein neuer Club. Vielleicht hast du Lust, mit uns hinzufahren?«
    »Klingt gut.«
    »Find ich auch.« Ira bemerkte das Amulett um meinen Hals. Sie nahm es in die Hand und zog es zu sich heran.
    »Das hast du von Rin, oder?«
    »Rin?«
    »Braune Haare, markante Wangenknochen, dunkler Blick … schüchtern.«
    »So heißt er also«, sagte ich leise. »Die Bescheibung passt jedenfalls auf ihn.« Bis auf das »schüchtern« vielleicht.
    »Stehst du auf solche Sachen?« Ira ließ den Anhänger los, und er schlug sacht gegen meine Brust.
    »Keine Ahnung. Gekauft hätte ich ihn mir vermutlich nicht.«
    »Das wird Roy nicht gern hören.«
    Einen Roy hatte Rin vorhin auch erwähnt. Ihm gehörte der tote Hund. »Und wer ist dieser Roy?«
    »Der Besitzer eines Souvenirshops. Für den stellt Rin auch diese Glücksbringer her. Alles feinste Handarbeit.«
    Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Roy damit einen großen Gewinn erzielte. Gewiss kamen nur wenige Touristen nach Calmwood. Aber Ira klärte mich schnell auf, dass Roys Shop in Rapid City war, und schlug vor, ihn bei Gelegenheit aufzusuchen. Aber im Moment interessierte mich etwas anderes viel brennender.
    »Du kennst doch die Leute in Calmwood ganz gut, oder?«
    »Ich denke schon. Warum?«
    »Ich habe vorhin mit Rin einen toten Hund gefunden. Sah aus, als hätte man den getötet.«
    »Getötet? Bist du sicher?«
    Ich nickte.
    »Und du denkst, das war einer aus Calmwood?«
    »Das weiß ich ja eben nicht.«
    »Ganz ehrlich, ich traue das keinem zu.« Sie überlegte einen Moment und knabberte dabei an einem Fingernagel, ehe sie energisch den Kopf schüttelte, so dass ihr Zopf dabei hin- und herflog. »Keinem«, wiederholte sie.
    Ich glaubte ihr. Vielleicht war es jemand von außerhalb gewesen.
    »Sind solche Dinge schon öfter passiert?«
    »Ich erinnere mich an keinen Vorfall. Die Leute von Calmwood sind gute Leute, für die ich meine Hand jederzeit ins Feuer legen würde. Anständige Bürger, keine Tierquäler. Oder hat Rin etwas anderes behauptet?«
    »Nein! Ganz und gar nicht.«
    »Na bitte.«
    Sie drehte das Radio wieder lauter. Das Thema war für sie offenbar beendet, und ich wollte nicht weiter nachbohren. Vor allem, weil ich etwas anderes noch viel dringlicher erfahren wollte.
    »Was macht dieser Rin eigentlich so?« Ich war mir sicher, dass er entweder auf einer Farm arbeitete oder woanders mit Tieren zu tun hatte.
    Ira biss sich auf die Unterlippe. »Warum willst du das wissen?«
    »Einfach nur so.«
    Sie lachte und sah mich an, als wäre ich für sie ein offenes Buch. »Er sieht gut aus, stimmt’s? Das finden viele. Aber mach dir keine Hoffnung, Mädel, nur weil er dir einen hübschen Anhänger geschenkt hat.«
    Das hörte sich an, als würde Ira aus Erfahrung sprechen. Unterschwellig meinte ich, verletzten Stolz herauszuhören.
    »Rin lässt niemanden an sich ran. Weder dich, michnoch den Bürgermeister. Keiner von uns weiß etwas Genaues über ihn.«
    »Ich mache mir doch gar keine Hoffnungen«, erwiderte ich empört. Wohl wissend, dass ich nicht sonderlich glaubwürdig klang. »Wie dem auch sei, ich dachte, hier sind alle bestens übereinander informiert?«
    »Rin ist eine Ausnahme. Er ist ein netter Kerl, doch er leidet am ›Einsamer-Wolf-Syndrom‹. Man sieht ihn nicht, man hört ihn nicht. Er ist wie ein Gespenst, ein Phantom.

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